In Carl Amerys großem utopischen Roman „Das Geheimnis der Krypta“ bleibt nach einer Seuche nicht viel von der Menschheit übrig. Die für unser Sommerrätsel gesuchte Stadt aber überdauert die Katastrophe, in der die Erzählung des großen bayerischen Schriftstellers angesiedelt ist. Sie ist gleichzeitig Ausgangs- und Mittelpunkt des gesamten Buches, in dem es um die Erhaltung der Schöpfung und den Fortbestand des Homo sapiens geht. Zu dieser oberbayerischen Stadt an der Isar gehört eine mächtige Kirche mit Doppeltürmen, die oberhalb des Flusses weit ins Land hinein grüßt.
Der gelehrte Berg
Dort ist ganz real die besagte Krypta mit einer berühmten romanischen Säule zu finden, die Amery zu seinem Roman angeregt hat. Eine Schlüsselfigur darin ist ein Priester und Gelehrter namens Ludwig Firnmoser. Auch das passt zu dieser Stadt. Denn der Berg, auf dem die mächtige, von den Gebrüdern Asam ausgestattete Kirche liegt, trägt traditionell den Namen „mons doctus“, der gelehrte Berg. Hier haben sich seit dem Mittelalter bedeutende Theologen und andere Wissenschaftler aufgehalten. Unter anderem ein Bischof namens Otto, der als einer der größten Geschichtsschreiber des Mittelalters gilt.
Übrigens hat auch dieser geistliche Herr einen Platz in der Literatur gefunden. Umberto Eco lässt ihn in seinem Roman „Baudolino“ auftreten. Sogar bei einem Nobelpreisträger kommt der gesuchte Ort vor, der lange Zeit Residenz und Hauptstadt eines kleinen geistlichen Fürstentums war: Thomas Mann lässt seinen Roman „Doktor Faustus“ dort beginnen. Natürlich auch wieder mit einem Gelehrten, dem Gymnasialprofessor Serenus Zeitblom.
Hauptsitz der bajuwarischen Herzöge
Eine kleine Stadt, die in der großen Literatur vorkommt, muss etwas Besonderes sein. Tatsächlich ist sie seit Jahrtausenden besiedelt. Im frühen Mittelalter war sie Hauptsitz der bajuwarischen Herzöge aus dem Geschlecht der Agilolfinger. Dieses Herrscherhaus hat entscheidend zur Christianisierung der Region beigetragen und dafür den später heiliggesprochenen Wanderbischof Korbinian aus der Gegend von Paris engagiert.
In jener Zeit war dieser Ort an der Isar das einzige bedeutende Verwaltungs-, Kirchen- und Herrschaftszentrum zwischen Salzburg und Regensburg. Vom etwa dreißig Kilometer entfernten München war damals noch lange nicht die Rede. Lokalpatrioten der gesuchten Stadt verweisen darauf gerne. Ebenso auf die lange Kunst- und Kulturtradition, die sie neben ihren Gelehrten vorzuweisen hat. Die eindrucksvolle Bestiensäule gibt davon Zeugnis.
Eines der größten kirchlichen Museen der Welt
Die feinsinnigen Kleriker in der Stadt gewannen 1624 aber auch Peter Paul Rubens dafür, ein monumentales Gemälde zu schaffen – zum 900-jährigen Jubiläum der mächtigen Kirche. Das Original hängt heute in der Münchner Alten Pinakothek. Etwas später war dann der Rembrandt-Schüler Christoph Paudiss Hofmaler in der Residenz. Auch von ihm sind Bilder in berühmten Museen zu finden.
Ein großer Teil seines Werks ist aber tatsächlich in der gesuchten Stadt geblieben, die ihrerseits eines der größten kirchlichen Museen der Welt beherbergt. Eine Stadt, die in Carl Amerys Roman eine Katastrophe überdauert, lässt sich aber von solchen Misslichkeiten nicht unterkriegen. Für den 1. Oktober dieses Jahres ist die Wiedereröffnung des fein renovierten Museums geplant, in dem 2024 auch die Bayerische Landesausstellung zu sehen sein soll.
Welche Stadt suchen wir heute?