Missbrauchsstudie

Kirche in Frankreich ringt um Konsequenzen

Aufklären, anerkennen, entschädigen - Die katholischen Kirche in Frankreich will ihr Möglichstes für die Opfer von sexuellem Missbrauch tun.

Die Ergebnisse der Studie zu sexuellem Missbrauch in der Kirche in Frankreich sorgen für große Bestürzung. © Tinnakorn - stock.adobe.com

Paris – Nach den Veröffentlichungen zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche in Frankreich wollen sich die Bischöfe um eine angemessene Entschädigung bemühen. Zwar könne das "Irreparable nicht repariert werden"; allerdings sei die Kirche bereit, ihr Möglichstes zu tun, sagte der Vorsitzende der nationalen Bischofskonferenz, Erzbischof Eric de Moulins-Beaufort von Reims, am Mittwoch dem Sender France Info. Bislang seien dafür jedoch noch keine Finanzmittel zur Seite gelegt.

Die Ergebnisse der Unabhängigen Untersuchungskommission zu sexuellem Missbrauch in der Kirche (Ciase), die die Bischöfe im November 2018 in Auftrag gegeben hatten, sorgten am Dienstag für große Bestürzung. Demnach gab es seit 1950 geschätzt 216.000 minderjährige Opfer sexueller Übergriffe durch Priester und Ordensleute. Zwischen 2.900 und 3.200 potenzielle Täter seien ermittelt worden. Laien und Kirchenmitarbeiter in kirchlichen Einrichtungen, Schulen, Pfarreien und Katechese hinzugenommen, kommt die Kommission sogar auf geschätzt 330.000 Opfer.

Hellfeld und Dunkelziffer

Der Kommissionsvorsitzende, der frühere Richter und Vizepräsident des Französischen Staatsrates Jean-Marc Sauve, präzisierte, bei der Schätzung der Opferzahlen handele es sich nicht um durch Quellen verbürgte Vorgänge, sondern um Hochrechnungen auf "sexualwissenschaftlicher Basis". Dabei habe man etwa den Zugang pädophiler Lehrer zu Schülern über viele Jahre und die statistische Häufigkeit von Taten pro einschlägigem Täter berücksichtigt.

Zum Vergleich: In Deutschland fanden sich laut der bislang größten Studie von 2018 in kirchlichen Personalakten zwischen 1946 und 2014 mindestens 1.670 Beschuldigte, darunter mehrheitlich Priester, sowie 3.677 Betroffene sexueller Übergriffe. Allerdings handelte es sich bei der MHG-Studie um eine sogenannte Hellfeldstudie, bei der nur tatsächlich belegte Verdachtsfälle registriert und nicht die mutmaßliche Dunkelziffer zugrunde gelegt wurde wie nun in Frankreich.

Bis zum Ende aufklären

De Moulins-Beaufort zeigte sich erneut tief beschämt über die Ergebnisse. "Diese Zahlen haben wir nicht erwartet", so der Erzbischof. Es gelte nun herauszufinden, wie der Missbrauch über Jahre unbemerkt in der Kirche geschehen konnte. Alle Fälle müssten "bis zum Ende" aufgeklärt werden. Zudem müsse das individuelle Leid, das die Betroffenen durch die Kirche erfahren haben, anerkannt und entschädigt werden.

In diesem Zusammenhang äußerte sich der Konferenzvorsitzende kritisch zur Forderung der Kommission, das Geld für entsprechende Zahlungen nicht auch teilweise durch Spenden von Gläubigen, sondern allein aus Gütern der Kirche zu begleichen. Dafür mangelt es der Kirche in Frankreich nach Angaben des Erzbischofs an Mitteln: "Wir haben kein Geld in unseren Kellern versteckt", so de Moulins-Beaufort. Es sei zwar vorstellbar, einige Kirchen zu verkaufen; allerdings seien die meisten der Gebäude architektonisch uninteressant und schlicht nicht zu verkaufen. Kirchen aus der Zeit vor dem 19. Jahrhundert wurden im Zuge der Französischen Revolution verstaatlicht.

Gemeinsame Verantwortung

Bereits im März hatten sich die Bischöfe nach Worten de Moulins-Beauforts auf die Einrichtung eines Fonds geeinigt, um die erforderlichen Summen aufzubringen. Diese solle sich zum einen aus dem privaten Geld der Bischöfe speisen und zum anderen durch Spenden erweitert werden. "Wir tragen gemeinsam als Kirche Verantwortung, den Opfern die notwendige Hilfe anzutragen", betonte der Erzbischof.

Die Kommission habe alle Beschuldigten im Dienst der Kirche ausfindig gemacht, erklärte er. Viele davon seien bereits gestorben; andere seien von zivilen oder kirchlichen Gerichten verurteilt. Letztere wolle die Kirchenleitung auch weiter unter Beobachtung stellen, allerdings ohne weitere juristische Konsequenzen: "Wir haben keine Möglichkeit, die Menschen in Fesseln zu legen oder sie ins Gefängnis zu bringen", so de Moulins-Beaufort. (kna)

Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Kirche und Missbrauch