Gedenken für an Corona Verstorbene

Keiner soll vergessen sein

In Sankt Michael in der Münchner Innenstadt wird aktuell jeden Freitag an die Münchner Corona-Toten erinnert. Bei der ersten Auflage erlebten die Besucher ein schlichtes und dennoch eindrucksvolles Totengedenken.

Hiltrud Schönheit, Vorsitzende des Münchner Katholikenrats, trägt das neue Trauerbuch durch den Mittelgang in St. Michael nach vorne. © Kiderle

München - „Zum Paradies mögen Engel dich geleiten, die heiligen Märtyrer dich begrüßen und dich führen in die heilige Stadt Jerusalem. Die Chöre der Engel mögen dich empfangen und durch Christus, der für dich gestorben ist, soll ewiges Leben dich erfreuen“. Während der Kantor den alten kirchlichen Begräbnisgesang anstimmt, trägt Hiltrud Schönheit, Vorsitzende des Münchner Katholikenrats, das neue Trauerbuch, das vor der brennenden Osterkerze im Mittelgang aufliegt, langsam nach vorne und legt es dort auf einem niedrigen Ständer vor dem hoch aufragenden Kreuz des italienischen Renaissance-Künstlers Giambologna ab. Kirchenrektor Pater Karl Kern, Zelebrant an diesem Abend, schließt die symbolträchtige Handlung mit dem „Herr, gib ihnen die ewige Ruhe ….“ ab.

Neues Gedächtnis-Ritual

Ein schlichtes und dennoch eindrucksvolles Totengedenken, dass ab sofort in jeder Freitagabendmesse in St. Michael an der Stelle der Fürbitten für die in München an der Corona-Pandemie Gestorbenen abgehalten wird. Dieses neue Gedächtnis-Ritual ist Ergebnis einer gemeinsame Initiative der Jesuiten an St. Michael, der dort ansässigen Glaubensorientierung der Erzdiözese München und Freising und des Münchner Katholikenrates, wie Pater Andreas Batlogg vom Projekt-Team erklärt: „Die Auswirkungen der Pandemie stellen uns vor wachsende Herausforderungen. Einer singulären oder punktuellen Katastrophe kann mit einer abschließenden Trauerfeier gedacht werden. Dagegen bietet sich eine solche Möglichkeit bei der sich über Monate hinziehenden Pandemie in einer solchen Form nicht.“ Daher habe man sich entschieden, in St. Michael, in der Fußgängerzone und im Herzen der bayerischen Landeshauptstadt, einen Ort der Trauer einzurichten für die Angehörigen von Menschen, die Opfer der Corona-Pandemie geworden sind. „Dieser Ort soll natürlich offen sein für Menschen jeder Religion oder Konfession“, betont Pater Batlogg.

Im Mittelgang wird daher zukünftig tagsüber die Osterkerze brennen und davor ein Trauerbuch aufliegen. Jeder, der möchte, kann darin den Namen der Person niederschreiben, die er oder sie durch Corona verloren hat und um die er trauert. Beim derzeit leeren Weihwasserbecken mit dem markanten Engel am Beginn des Mittelgangs können zudem Sterbebildchen abgelegt werden.

In Gottes Hand

In allen kommenden Gottesdiensten freitags um 18 Uhr wird dann das Buch von einer immer anderen Person – angedacht sind hier auch Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft – an den Altar getragen, der Gesang „Zum Paradies mögen Engel dich begleiten“, mal auf Deutsch, mal lateinisch, intoniert und in einem eigenen Corona-Gebet der Toten gedacht. In der Fastenzeit ersetzt ein „Evensong“ die Eucharistiefeier. Überschrieben ist dieses aus Not heraus geborene pastorale Angebot mit dem Motto: „Keiner soll vergessen sein“.

„Möglicherweise bietet es Trost, wenn sich Menschen mit ihrer Trauer in die Gemeinschaft der Gläubigen und der Stadtgesellschaft stellen können, möglicherweise bietet unser aller Gebet Trost im Glauben daran, dass wir in Gottes Hand sind und bleiben und möglicherweise hilft es ein wenig, einer immer stärker werdenden Traumatisierung der Gesellschaft entgegenzutreten“, hofft Pater Batlogg. Und sein Mitbruder Pater Kern ergänzt: „Vielleicht gibt es noch Modifikationen. Aber wir müssen halt mal anfangen und unsere Erfahrungen machen.“ Beide betonen: „Es ist uns ein drängendes Anliegen.“

Der Autor
Florian Ertl
Münchner Kirchenzeitung
f.ertl@michaelsbund.de

Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Corona - Pandemie