Kirchenrecht

Katholische Kirche reformiert ihr Strafrecht

Zwölf Jahre wurde im Vatikan an der Reform des kirchlichen Strafrechts gearbeitet. Das am Dienstag vorgestellte Resultat zeigt: Das Kirchenrecht wird schärfer und präziser - vor allem bei Missbrauch und Vermögensdelikten.

Zwölf Jahre wurde das Strafrecht der katholischen Kirche überarbeitet. © KNA

Vatikanstadt – Lange galt die katholische Kirche als strafend und bevormundend. Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) schaffte die Papstkirche eine Wende hin zu mehr Seelsorge, Verständnis und Kümmern. Davon geprägt war auch das in den 1970er-Jahren unter Johannes Paul II. reformierte Kirchenrecht. Schnell aber zeigte sich: Die Strafdisziplin entsprach nicht den Erwartungen. Die Texte seien vielfach zu unbestimmt gewesen, räumte Juan Arrieta, Sekretär im Päpstlichen Rat für Gesetzestexte, bei der Vorstellung der Reform des kirchlichen Strafrechts am Dienstag ein.

Im Dezember in Kraft treten

Mit der Reform im VI. Buch des Codex Iuris Canonici (CIC) werden vor allem Missbrauch, Verletzung der Aufsichtspflicht und finanzielle Vergehen stärker bestraft. Strafen sind detaillierter formuliert. Dabei ist es Kirchenoberen nicht mehr freigestellt, ob sie bei erwiesener Schuld eine Strafe erteilen oder nicht. Unverständnis für den Zusammenhang zwischen Liebe und Strafdisziplin in der Kirche habe "in der Vergangenheit viel Schaden verursacht", schreibt Papst Franziskus in seiner Konstitution "Pascite Gregem Dei" (Weidet Gottes Herde), mit der er die Reform in Kraft setzt. Dies soll am 8. Dezember geschehen, damit Ortskirchen ihre Regeln anpassen können.

Vor allem die zahlreichen Missbrauchsskandale zeigten: Allein mit Seelsorge, Ermahnungen und Psychotherapie kommt man dem Übel nicht bei. Schon in den 1990er-Jahren habe Kardinal Joseph Ratzinger festgestellt, dass das Strafrecht von 1983 die Erwartungen nicht erfülle, so Bischof Arrieta. Mit dem Bekanntwerden erster großer Missbrauchsskandale erließ der Vatikan nach und nach Einzelgesetze und Regelungen: 2001 etwa den Erlass "Sacramentorum sanctitatis tutela" (SST), wonach Verfahren wegen Missbrauch der Glaubenskongregation gemeldet werden müssen, um Vertuschung vor Ort zu verhindern.

Seit 2009 wird an Strafrechtsreform gearbeitet

2010 verschärfte Benedikt XVI. die Bestimmungen von SST. Unter Franziskus folgten weitere Erlasse. Schon 2009 hatte Benedikt XVI. die damals neu ernannte Leitung der Behörde für Gesetzestexte mit einer Strafrechtsreform beauftragt. Die Expertengruppe traf sich zu 66 Arbeitssitzungen, sichtete 800 Seiten Rückmeldungen. Befragt wurden Bischofskonferenzen weltweit - etwa 70 meldeten sich zurück -, Ordensobere sowie andere Kurienbehörden und einzelne Kirchenjuristen.

Mit der Rubrizierung von sexuellem Missbrauch als "Straftat gegen Leben, Würde und Freiheit des Menschen" - ähnlich wie Mord oder Vergewaltigung - will der Gesetzgeber endlich die Schwere des Vergehens besser würdigen. Konkret genannt werden zudem Besitz und Verbreitung von Pornografie von Minderjährigen sowie der Missbrauch von Amtsautorität bei sexuellen Vergehen auch gegen volljährige Untergebene. Ausdrücklich gilt das nun auch für Laien im Kirchendienst.

Neben Strafen auch Überwachungsmaßnahmen möglich

Doch die besten Gesetze nützen nichts, wenn sie nicht angewandt werden, betont der Kinderschutzexperte Hans Zollner immer wieder. Dies machte der Papst auch beim Krisengipfel im Februar 2019 klar. Seine Glaubenskongregation schob einen Leitfaden - "Vademecum" genannt - nach, wie Kirchenobere in Fällen von Missbrauchsverdacht vorzugehen haben. Der erneuerte Codex bestimmt daher: "Wer Urteile oder Strafdekrete nicht ausführt oder Strafanzeigen nicht wie vorgesehen weitergibt" muss bestraft werden.

In schweren Fällen, vor allem bei Wiederholungsgefahr, sind neben Strafen auch Überwachungsmaßnahmen zu ergreifen (can. 1339 §5). Kanon 1326 schreibt zudem vor, jene stärker zu bestrafen, die eine höhere Würde besitzen oder ausdrücklich ihr Amt zu einer Straftat missbrauchen.

Härtere Strafen bei Vermögensdelikten

Die stärksten Änderungen betreffen jedoch Vermögensdelikte, veranlasst auch durch Finanzskandale im Vatikan, so Arrieta. Grobe Fahrlässigkeit bei der Verwaltung von Kirchengütern wird nun ebenso bestraft wie die Veräußerung von Kirchenvermögen ohne vorgeschriebene Beratung oder Erlaubnis. Außer Bestechung wird künftig auch die Forderung nach unrechtmäßiger Vorteilsgabe bestraft. In manchen Ländern gab es Fälle, in denen Kirchenvertreter für Beerdigungen und Sakramente Geldsummen verlangten, die weit über übliche Spenden hinausgingen.

Da die Kirche keine Freiheitsstrafen verhängen kann, regelt sie Beugestrafen wie Exkommunikation oder Suspension genauer. Anders als vielfach gemeint, ist Exkommunikation im Fall von Missbrauch keine angemessene Strafe. Die muss aufgehoben werden, wenn der Täter die Tat bereut und verspricht, nicht wieder zu missbrauchen. Wie wenig das taugt, hat die Praxis gelehrt.

Stattdessen gibt es Sühnestrafen. Deren schärfste ist die Entlassung aus dem Klerikerstand, über die der Vatikan entscheidet. Neu genannt werden Geldstrafen und der Entzug von Ansprüchen an Vergütungen. Vorstufen einer Strafe, Verwarnungen oder Verweise also, müssen zwar nicht öffentlich gemacht werden, aber aktenkundig. Wie wichtig dies ist, zeigte der Fall des früheren Washingtoner Erzbischofs Theodore McCarrick. Den hatte Benedikt XVI. zwar zu öffentlicher Zurückhaltung ermahnt, aber der US-Kardinal hielt sich nicht dran; und andere wussten nichts davon.(kna)

Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Die Kirche und das liebe Geld Kirche und Missbrauch