Zurückgezogener Hirte

Kardinal Wetter wird 95 Jahre alt

26 Jahre lang stand Kardinal Wetter an der Spitze des Erzbistums München und Freising. Am 20. Februar wird der gebürtige Pfälzer 95 Jahre alt. Zuletzt war er nach der Präsentation des Münchner Missbrauchsgutachtens in der Öffentlichkeit wahrnehmbar gewesen.

Kardinal Friedrich Wetter hat am 20.Februar Geburtstag. © SMB

Kardinal Wetter hatte vor einem Jahr als Reaktion auf die Präsentation des Münchner Missbrauchsgutachtens in einer Wortmeldung detailliert ein persönliches Versagen eingeräumt. Es hätte ein frohes Geburtstagsfest in Dankbarkeit und Freude für die ganze Erzdiözese werden können – Wetter war stets ein beliebter, warmherziger und umsichtiger Hirte in der Nachfolge des heiligen Korbinian. Wäre da nicht jene Entscheidung gewesen, die heute alle Erinnerung trübt und stark belastet: In Wetters Amtszeit fiel die Entscheidung, den Wiederholungstäter Peter H. selbst nach einer rechtskräftigen Verurteilung durch das Amtsgericht Ebersberg erneut in einer Pfarrgemeinde einzusetzen.

In Garching an der Alz reißt der Fall, der im WSW-Gutachten einen Sonderband füllt, bis heute Wunden auf. Sie wurden 2022 noch vertieft, als bekannt wurde, dass auch H.s Vorgänger ein Missbrauchstäter war, der über ausländische Umwege aus Eichstätt zeitweise nach Ostbayern gelangt war.

Wetter: "Es tut mir von Herzen leid"

„Es tut mir wegen der Missbrauchsopfer in Garching, aber auch im Blick auf die indirekt betroffenen Gemeinden aufrichtig leid, dass ich als Kind meiner Zeit und mit meinen begrenzten Vorerfahrungen mit einem völlig unzureichenden Problembewusstsein im Fall H. falsch entschieden habe. Denn hätte ich anders entschieden, hätte es zu diesen Missbräuchen nicht kommen können“, ließ er in einer Stellungnahme damals verlauten. „Es tut mir von Herzen leid, was in meiner Amtszeit so nicht erkannt wurde. Mit dem Wissen von heute hätten ich und weitere Verantwortungsträger im Erzbistum sicherlich anders gehandelt“, erklärte er.

Es war am Lichtmesstag 2007, da gab Wetter bekannt, dass Benedikt XVI. seinen altersbedingten Rücktritt angenommen habe. Bei der Wahl des Papstes aus Bayern zwei Jahre zuvor hatte er noch mitgewirkt und diesen 2006 auch zum Heimatbesuch in München empfangen. Spätestens da hatte der „bayerische Pfälzer“ seinen Frieden mit Joseph Ratzinger gemacht, mit dem er zuvor in der Glaubenskongregation auch hart gerungen hatte – etwa um die Schwangerenkonfliktberatung.

Übergangslösung zum Rücktritt

Benedikt revanchierte sich, indem er Wetter zum Ende seiner Amtszeit in München eine elegante, aber selten praktizierte Übergangslösung ermöglichte. Statt der üblichen Wahl eines Diözesanadministrators durch das Domkapitel durfte sich der Kardinal noch ein Jahr lang selbst vertreten. 2008 zog er sich endgültig in den Ruhestand zurück. Von seiner Person hat Wetter nie Aufhebens gemacht. Er redet auch nicht öffentlich über andere, schon gar nicht über seinen Nachfolger im Amt des Münchner Erzbischofs, Kardinal Reinhard Marx.

Seit seinem Auszug aus dem Bischofshaus lebt Wetter zurückgezogen im Münchner Mutterhaus der Barmherzigen Schwestern. Seit 2008 gibt es einen Kardinal-Wetter-Preis für Nachwuchstheologen. (flo/baj/cri)