Predigten des Erzbischofs

Kardinal Marx: Europa ist kein Kontinent der Angst

Die österliche Perspektive des Aufbruchs muss ernst genommen werden, fordert der Münchner Erzbischof. Es brauche ein neugieriges, nicht ein ängstliches Europa.

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München, 15. April 2017. Kardinal Reinhard Marx hat in seiner Osterbotschaft zu einer neuen Dynamik hin zu mehr Gerechtigkeit und Versöhnung in Europa aufgerufen. Es gehe darum, die „österliche Perspektive des neuen Lebens, der Bewegung, des Aufbruchs“, die zur christlichen Identität gehöre und damit auch Europa inspiriere, ernst zu nehmen, sagte der Erzbischof von München und Freising in der Osternacht und am Ostersonntag im Münchner Liebfrauendom. Eine von dieser Dynamik geprägte Kultur muss nach Ansicht des Kardinals „immer weitergehen hin auf mehr Gerechtigkeit, mehr Versöhnung, mehr Frieden, mehr Leben im Sinne des Gottes, der uns herausgeführt hat aus der Knechtschaft in die Freiheit, auf den Weg einer verantwortlichen Freiheit, die sich am Guten orientiert“.
 
In Europa sei man „heute wieder auf der Suche nach Identität“, konstatierte Marx. Es gehe um Fragen der Herkunft und nach den Grundlagen von Kultur und Zusammenleben. Stärker als noch in vergangenen Jahren sei mittlerweile die Überzeugung vertreten, „dass wir unseren Kontinent Europa, unsere europäische Kultur ohne das Christentum nicht verstehen können“. Entscheidend sei hierbei ein biblisch geprägter Begriff von Freiheit: „Wir dürfen durchaus sagen: Gott will Freiheit!“, betonte Kardinal Marx. Ein österliches Denken, das aufbreche, aus sich heraus und nach vorne gehe, „offen für die Begegnung, für neue Erfahrungen“ sei, gehöre „zur Identität unserer Kultur, die eine Kultur der Freiheit sein sollte“. Ein Europa allerdings, „das sich selbstzufrieden und satt einfach nur mit den Verhältnissen abfindet, mit dem, was ist, vergisst diese biblische Freiheitsgeschichte“, sagte Marx. Europa sei ein Kontinent, der neugierig sei auf das was komme, nicht ein Kontinent der Angst.


Der Kardinal erinnerte an das jüngste Zusammentreffen von Papst Franziskus mit den Regierungschefs der Europäischen Union und erkennt darin ein „Signal, sich neu auf den Weg zu machen“, in der Gesellschaft wie auch der Kirche: „Es geht ja nicht darum, von anderen etwas zu fordern, sondern sich selber neu bewusst zu werden, welchen Auftrag, welche Sendung wir hier in diesem Land und in Europa haben.“ Gerade bei dem Gruppenfoto Der Staatschefs in der Sixitinischen Kapelle vor dem großen Gemälde des Jüngsten Gerichtes von Michelangelo sei ihm bewusst geworden, dass dieses keine Bedrohung, sondern ein Signal zum Aufbruch sei. „Das Jüngste Gericht sagt: tut etwas, bewegt etwas.“
 
Die „Kultur der Freiheit“ ist laut Marx eine „Gabe und Aufgabe, wir dürfen sie nicht verspielen. Wir können und dürfen dafür etwas tun!“ Diese Freiheit sei dem Menschen eingestiftet für immer, sie sie nicht ab- sondern aufschließend. Jeder Einzelne werde „hineingezogen in eine Bewegung des Guten, wenn wir auf Christus schauen, der uns ruft“, erläuterte Marx. Es handle sich dabei um einen anspruchsvollen Aufruf „zum Glauben, zur Hoffnung und zur Liebe. Wer liebt, bricht auf! Das ist unsere österliche Sendung für dieses Land und für diesen Kontinent!“

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