Nach Nichtveröffentlichung

Kanzlei verteidigt erstes Missbrauchsgutachten für Köln

Das kürzlich veröffentlichte Gutachten zum Umgang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln war nicht das erste, das in Auftrag gegeben wurde. Der Kölner Kardinal Woelki hatte dieses erste Papier wegen "methodischer Mängel" zurückgehalten.

Journalisten sollen, unter Auflagen, Einsicht in das erste Missbrauchsgutachten einer Münchner Kanzlei erhalten. © pressmaster - stock.adobe.com

München  Die Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) hat erneut ihr nichtveröffentlichtes Missbrauchsgutachten für das Erzbistum Köln verteidigt. Zugleich kritisierte sie die in der vergangenen Woche präsentierte Untersuchung der Kölner Sozietät Gercke Wollschläger über den Umgang der Bistumsverantwortlichen mit Fällen sexualisierter Gewalt. Dieses Zweitgutachten leide maßgeblich darunter, dass es unter der Prämisse "Recht ohne Moral" erstellt worden sei, erklärte WSW am Mittwoch. Daraus resultierten Mängel, die sich besonders in den Ausführungen zu den systemischen Defiziten im Erzbistum Köln und den Empfehlungen zeigten.

Methodische Mängel

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat das WSW-Gutachten bislang nicht veröffentlichen lassen. Zur Begründung beruft er sich auf Juristen, nach deren Einschätzung das Papier äußerungsrechtliche und andere "methodische Mängel" habe. Befürchtet wurden Klagen wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte. Da nun allerdings die Gercke-Untersuchung vorliegt, sollen ab Donnerstag unter anderem Journalisten Einsicht ins WSW-Gutachten erhalten. Dabei gelten jedoch Einschränkungen.

Die Münchner Anwälte betonten, dass die von ihnen benannten Verantwortlichen im Zweitgutachten "im Wesentlichen" bestätigt worden seien. Deren Einlassungen seien von den Zweitgutachtern aber nicht "mit der gebotenen kritischen gutachterlichen Sichtweise" bewertet worden. Die vermeintlich äußerungsrechtlichen Einwendungen gegen die Veröffentlichung des WSW-Gutachtens bestünden angesichts der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) nicht. Dies gelte umso mehr für sämtliche Teile des WSW-Gutachtens, die sich nicht mit persönlichen Verantwortlichkeiten beschäftigen, da hier von vornherein keine äußerungsrechtlichen Bedenken erhoben werden könnten.

Bereitschaft Gutachten zu veröffentlichen

WSW wirft dem Team um Gercke vor, sich sachwidrig nur auf eine Rechtmäßigkeitsprüfung beschränkt zu haben. Dies führe dazu, dass das Verhalten der Verantwortlichen im Erzbistum Köln nicht nach dem kirchlichen Selbstverständnis beurteilt worden sei. Die Kanzlei bekundete weiter ihre Bereitschaft, das Gutachten vollständig auf ihrer Website zu veröffentlichen. Die jetzt angekündigte Einsichtnahme geschehe unter fragwürdigen Einschränkungen. Notizen sind laut Erzbistum bei der Einsichtnahme erlaubt, Abschriften, Vervielfältigungen und Zitate aber untersagt. Ein Merkzettel mit entsprechenden Hinweisen werde Medienvertretern zur Unterschrift vorgelegt.

Gercke Wollschläger verwies am Mittwoch darauf, dass ihr Gutachten 75 Pflichtverletzungen von Verantwortungsträgern festgestellt habe, während WSW nur auf 43 komme. "Wir kommen auf acht Personen, denen wir Pflichtverletzungen nachweisen, die Münchener Kollegen auf sechs." Das Gercke-Team habe zudem im Vorfeld der Veröffentlichung Woelki nicht darüber informiert, wie sein Verhalten zu bewerten sei - anders als das WSW-Team. (kna)

Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Kirche und Missbrauch