Priesterweihe im Münchner Dom

„Jetzt ist nichts mehr wie vorher“

Jaime-Pasqual Hannig und Gregor Schweizer haben am Fest Peter und Paul ihre Priesterweihe empfangen.

Der Erzbischof von München und Freising, Kardinal Reinhard Marx, legt Gregor Schweizer die Hände auf, rechts von ihm steht sein Mitbruder Jaime-Pasqual Hannig. © Kiderle Kiderle

München  Eine halbe Stunde vor der Priesterweihe geht es in der Sakristei des Liebfrauendoms ganz ruhig und gemessen zu. Und das wird so bleiben bis zum Beginn des Gottesdienstes. Die meisten der sicher über 120 Priester kleiden sich in einem Nebengebäude um, ebenso die meisten Ministranten. In der Sakristei schlüpfen vor allem die Mitglieder des Domkapitels routiniert in ihre Messgewänder.

Jaime-Pasqual Hannig und Gregor Schweizer kommen im schwarzen Anzug und brauchen als liturgisches Gewand nur ihre Albe anzuziehen und die Stola, die sie quer über die Brust tragen. Wie Diakone, die sie jetzt noch sind. Das Messgewand wird ihnen erst nach dem Weihegebet von ihren Heimatpriestern angelegt und dann dürfen sie auch die Stola über beide Schultern legen. „Ich weiß gar nicht, ob ich jetzt aufgeregt bin“, sagt Jaime-Pasqual Hannig, der noch rasch seine Verwandten begrüßen möchte, die schon in der ersten Reihe sitzen. Gregor Schweizer spürt dagegen schon, dass er „ein bisschen nervös“ ist. Er hat nicht gut geschlafen, allerdings weniger aufgrund der Aufregung, „sondern wegen der die Hitze und ein paar Mückenstichen“. Dann hat er noch „ganz normal“ ein Wurst – und ein Marmeladenbrot gefrühstückt und sieht jetzt einem der wichtigsten Tage seines Lebens entgegen.

Vollbesetzter Chor

Bevor die Zeremonie beginnt, zieht sich Kardinal Reinhard Marx mit dem 41-jährigen Jaime-Pasqual Hannig und dem 29 Jahre alten Gregor Schweizer noch zu einem stillen Gebet zurück. Danach reihen sie sich im Freien vor der Sakristei an den Schluss der Prozession ein, die vom Nordportal feierlich durch den Mittelgang des fast vollbesetzten Domes einzieht. Bestimmt sind es zweihundert Personen, die im Chor des Liebfrauendomes Platz nehmen, die Mesner haben dort großzügig Stühle aufgestellt. Nur die beiden Weihekandidaten bleiben vor den Altarstufen im Kirchenschiff zurück.

Als ihre Namen aufgerufen werden, klingt ihre rituelle Antwort „Hier bin ich“ laut und fest. Von Nervosität ist jetzt bei keinem von beiden viel zu spüren. Bei den Lesungen hören sie manchmal mit geschlossenen Augen aufmerksam zu. Der 29. Juni ist das Fest der Apostel Peter und Paul und entsprechend erinnern auch die Texte aus der Apostelgeschichte und der Brief an Timotheus an sie. Als aus dem letzteren die Zeile „Der Herr stand mir zur Seite und gab mir Kraft“ vorgetragen wird, nicken Jaime-Pasqual Hannig und Gregor Schweizer beide fast gleichzeitig leicht mit dem Kopf.

Die beiden Neupriester bei der Prostratio, dem rituellen Sich-Niederwerfen in der Weihezeremonie © Kiderle

Gnadenstunde

In seiner Predigt erinnert Kardinal Reinhard Marx sie und alle Gläubigen im Dom daran, wie der Priester in vielen Religionen und Kulturen die Menschen fasziniert: „Trotz und gerade wegen aller Krisen wird etwas deutlich von der tiefen Sehnsucht nach Priestern“, sagt der Erzbischof von München und Freising. „Sie sollen Boten einer anderen Welt sein und haben das Geheimnis berührt.“ Fast im selben Atemzug macht er deutlich, dass „diese Berufung gefährdet ist“. Es sei ein „Zerrbild“, wenn ein Priester in seiner Berufung „nur einen Job“ sehe, oder „die Möglichkeit, Macht auszuüben“. Und das Ausrufezeichen ist deutlich mitzuhören, als Kardinal Marx hinzusetzt: „Ohne Demut ist ein priesterliches Leben verheerend!“

Die Bereitschaft zu dieser Demut macht eine der stärksten Gesten innerhalb der Priesterweihe deutlich. Ohne Unterlage liegen die beiden Neupriester während der Allerheiligenlitanei vor den Altarstufen auf dem Marmorpflaster des Doms. Das ist nicht nur sehr hart, sondern sogar im Sommer kalt. Trotzdem ist es gerade dieser Moment, in dem Gregor Schweizer gespürt hat, „dass ich bei einer großen und wunderbaren Feier dabei bin“. Noch tiefer hat ihn allerdings die Handauflegung durch alle anwesenden Priester ergriffen. „Da habe ich gespürt, dass ich ein Netz habe, das mich auffängt und trägt.“

Auch Jaime-Pasqual Hannig ist es durch Mark und Bein gegangen, als die vielen Hände, mal kräftig, mal sanft, seinen Kopf berührten. „Da ist etwas in mir vorgegangen“, erzählt er mit leiser Stimme nach dem Gottesdienst. „Da habe ich gespürt, es ist jetzt nichts mehr wie vorher, das war eine Gnadenstunde“, und legt behutsam seine Stola und das Messgewand zusammen.

Der Autor
Alois Bierl
Chefreporter Sankt Michaelsbund
a.bierl@michaelsbund.de

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