Umgang mit Missbrauchsfällen

Jesuitenpater Mertes lobt Marx' Besuch in Garching

Nicht für taktisch sondern aufrichtig hält Jesuitenpater Klaus Mertes die Entschuldigung von Kardinal Reinhard Marx in der ehemaligen Gemeinde des Missbrauchstäters Priester Peter H. Für Kardinal Woelki gibt es Kritik.

Jesuitenpater Klaus Mertes über den Umgang von Marx und Woelki mit Missbrauchsfällen. © Julia Steinbrecht/kna Julia Steinbrecht/kna

Augsburg – Der für seinen Beitrag zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen mit dem Bundesverdienstkreuz geehrte Jesuitenpater Klaus Mertes sprach in der "Augsburger Allgemeinen" (Samstag) über Kardinal Marx und den Kölner Kardinal Woelki. Bemerkenswert finde Mertes, dass der Münchner Erzbischof kürzlich nach Garching an der Alz gegangen sei, um vor Ort um Entschuldigung für den Umgang mit dem Missbrauchstäter Priester Peter H. zu bitten. Peter H. wurde alleine 20 Jahre in Garching an der Alz eingesetzt. Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., hatte 1980 als Erzbischof von München und Freising dem Umzug des Priesters in sein Erzbistum zugestimmt. Auflage war damals, dass H. eine Therapie machen soll.

Jesuitenpater Mertes sagte zu der Entschuldigungsbitte von Marx: "Marx hat damit auch den Schutzmantel weggenommen, der bisher über Joseph Ratzinger, den inzwischen emeritierten Papst Benedikt XVI., ausgebreitet war." Das Ratzinger-Bild vom entschiedenen Durchgreifer gegen Missbrauch sei erschüttert. Weiter sagte Mertes: "Ich nehme Kardinal Marx ab, dass er in Garching aufrichtig um Entschuldigung bat - und nicht einfach nur taktisch im Vorgriff auf ein Gutachten, das er in Auftrag gab und das noch dieses Jahr veröffentlicht werden soll." Auf die Frage, warum der Kardinal nicht schon längst diesen Schritt gemacht habe, antwortete Mertes: "Weil tief sitzende Loyalitäten und Machtinteressen und sie tragende Narrative im Hintergrund stehen. Das Leitungsversagen Ratzingers führt ja direkt bis an die Spitze der Weltkirche."

Kritik nach Köln

Den umstrittenen Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki kritisiert Mertes deutlich. "Ich glaube, er tritt deswegen nicht zurück, weil er sein Scheitern nicht sieht. Er versteht sich als ein aufgeklärter Monarch, der alles gut und richtig machen will und auch getan hat, abgesehen von einigen verzeihlichen Fehlern."

Woelki sei im Umgang mit Missbrauchsfällen und Betroffenen gescheitert, sagte der 66-Jährige. Offen sei nun, ob auch die beiden Apostolischen Visitatoren, die im Juni vom Papst geschickt in Köln waren, dies auch so sähen. Würde Papst Franziskus Woelki im Amt lassen, würde das Vertrauen weiter erodieren, und zwar auch das in den Vatikan. "Es geht ja auch um das System Meisner, aus dem Woelki kommt, und das besonders eng mit Rom kooperierte."

Klaus Mertes hatte 2010 als Rektor des Berliner Jesuitengymnasiums Canisius-Kolleg Missbrauchsfälle öffentlich gemacht und damit eine Welle von Enthüllungen ausgelöst. (kna)

Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Kirche und Missbrauch