Reise in die Ukraine und Polen

Jesuiten-Provinzial ist vom Gottvertrauen der Ukrainer beeindruckt

Der Provinzial der Zentraleuropäischen Provinz der Jesuiten, Pater Bernhard Bürgler, hat die Ukraine und Polen besucht. Nach seiner Rückkehr sprach er über seine Eindrücke und die Arbeit seines Ordens im Krisengebiet.

Pater Bernhard Bürgler SJ ist Provinzial der Zentraleuropäischen Provinz der Jesuiten. © SJ

mk online: Wie viele Tage waren Sie in der Ukraine, welche Städte und Einrichtungen haben Sie in dieser Zeit besucht?

Pater Bernhard Bürgler SJ: Die fünftägige Reise führte mich in die Stadt Lemberg (Lviv) im Westen der Ukraine und nach Nowy Sącz im Süden Polens. In beiden Städten habe ich den Flüchtlingsdienst der Jesuiten und unsere Mitbrüder vor Ort besucht. Ziel der Reise war es, ein Zeichen der Solidarität zu setzen und weitere Hilfsaktionen zu planen. Das Hören auf die persönlichen Erfahrungen von Betroffenen des Krieges in der Ukraine stärkt Opfer und Helfer. Es schärft auch das eigene Urteilsvermögen in einer sehr schwierigen Situation.

Welche Arbeit leisten Ihre Mitbrüder dort, mit welchen Schwierigkeiten haben sie hierbei zu kämpfen?

Bürgler: In Lemberg wurden wir an einem Tag drei Mal durch Sirenen vor Luftangriffen gewarnt. Am Stadtrand waren sechs Explosionen zu hören. Die Luftschutzkeller sind mit Sandsäcken geschützt. Vor den Häusern sieht man überall Diesel-Generatoren. Die Unsicherheit und Bedrohung ist eine große Belastung für die Bevölkerung, besonders auch für Kinder und alte Menschen. Es wird langfristig eine große Aufgabe sein, diese Traumatisierungen aufzuarbeiten. Die Jesuiten in Lemberg sind schon dabei, die Menschen seelsorglich zu unterstützen. Sie planen auch weitere Programme dafür.

Warum setzt sich Ihr Orden in der Ukraine so nachdrücklich ein?

Bürgler: Mit dem Jesuiten-Flüchtlingsdienst JRS hilft unser Orden weltweit Menschen, die wegen Gewalt, Konflikten oder Ungerechtigkeiten ihre Heimat verlassen müssen. Lemberg hatte vor dem Krieg 750.000 Einwohner. Jetzt gibt es viele Vertriebene aus der Ostukraine, sodass die Stadt über eine Million Einwohner hat. Beim JRS kümmert man sich um Wohnraum - das ist ein sehr großes Problem. In Lemberg leitet der JRS zwei Flüchtlings-Unterkünfte, vor allem für Frauen und Kinder. Aber auch in den Nachbarländern, besonders in Polen, unterstützt der JRS Vertriebene durch Unterkünfte, Sozialberatung, psychologische Hilfe und Bildungsprogramme. Dabei sind es vor allem geflüchtete Frauen aus der Ukraine, die in Polen für den JRS arbeiten.

Wie war Ihr Eindruck insgesamt von der Lage vor Ort?

Bürgler: Mein stärkster Eindruck ist die Zuversicht und das Gottvertrauen der Menschen in der Ukraine. Sie glauben daran, dass Gerechtigkeit und Friede stärker sind als Hass und Tod. Jede Familie in der Ukraine ist vom Krieg betroffen. Wir haben an einem Requiem für vier junge tote Soldaten in der ehemaligen Jesuitenkirche in Lemberg teilgenommen. Das sind erschütternde Momente für alle, besonders für die Angehörigen. Der alte Friedhof von Lemberg hat mittlerweile ein großes Feld Gräber junger Menschen, die im Krieg getötet wurden.

Welches Anliegen bringen Sie mit von Ihrer Reise zu Ihren Mitbrüdern, zu den Menschen hier bei uns?

Bürgler: Zuerst einmal Beten - um Stärkung der Menschen, um ein Schweigen der Waffen und einen gerechten Frieden. So halten wir auch innerlich Verbindung zu den Menschen in der Ukraine und geben ein Zeichen der christlichen Solidarität. Dann braucht es auch materielle Hilfe in der Ukraine. Dafür gibt es gute Projekte des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes, der Caritas und anderer Hilfsorganisationen. Und schließlich geht es um die Unterstützung der Ukrainerinnen und Ukrainer, die aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Sie brauchen nicht nur Wohnung und Arbeit, sondern unsere persönliche Aufmerksamkeit und Zuwendung. (smb)