Laudato Si

Jahrestag im Schatten der Corona-Pandemie

Am 24. Mai 2015 hat Papst Franziskus seine Umweltenzyklika "Laudato si" fertiggestellt. Das Dokument gilt weithin als theologischer Meilenstein. Der fünfte Jahrestag wird indes von der Corona-Krise überschattet.

Papst Franziskus auf seiner Mexiko Reise. © Imago Images

Vatikanstadt – Fünf Jahre ist es her, dass Papst Franziskus der Welt seine Enzyklika "Laudato si" ("Sei gepriesen") vorgelegt hat. Vieles spricht dafür, dass sie als das wichtigste Lehrschreiben seines Pontifikats in die Geschichte eingehen wird. Es ist ein Text voller Enthusiasmus, dessen Nachhall auf dem gesamten Globus vernehmbar ist.

Die Sorge um das "gemeinsame Haus", wie es im Untertitel heißt, sie beschäftigt beileibe nicht nur die katholische Kirche. Kaum eine bedeutende Organisation oder politische Kraft, die sich nicht der Worte des Papstes bedient, wenn es um Nachhaltigkeit, Umwelt und Klimaschutz geht. Begriffe wie "ökologische Schuld" oder "Wegwerfkultur" sind in den allgemeinen Sprachschatz übergegangen. Das hat Franziskus den Ruf eines "grünen" Papstes beschert.

Die Welt – ein freudiges Geheimnis

Doch wie kam es zu dieser eindrucksvollen Rezeptionsgeschichte? Ein Grund ist sicherlich der klug gewählte Veröffentlichungszeitpunkt. Das auf den 24. Mai 2015 datierte Dokument erschien wenige Monate vor Beginn der Pariser Weltklimakonferenz und verlieh dieser beträchtlichen Schwung. Die an "Laudato si" anknüpfende Rede des Papstes, die er im selben Jahr vor der Vollversammlung der Vereinten Nationen hielt, gilt als historisch. In jüngerer Zeit sorgten obendrein die populäre Aktivistin Greta Thunberg und die Bewegung "Fridays for Future" für erhöhte Aufmerksamkeit.

Aber das Schreiben ist weit mehr als nur ein PR-Coup, es ist eine Hymne auf die Schönheit der Schöpfung. "Die Welt ist mehr als ein zu lösendes Problem, sie ist ein freudiges Geheimnis, das wir mit frohem Lob betrachten", lässt uns Franziskus wissen. Nicht weniger als 18 Ausrufezeichen setzt er ein, um solche Erkenntnisse zu vermitteln - ein für offizielle päpstliche Einlassungen eher untypisches Stilmittel.

Verschiebung der Paradigmen

Zugleich vertritt das Kirchenoberhaupt eine für die reichen Industrienationen höchst unbequeme Botschaft: Ein effizienter Kampf gegen Umweltzerstörung und Klimawandel sei nur möglich, wenn der wohlhabende Teil der Menschheit seinen Konsum einschränke und den Lebensstil grundlegend ändere. "Laudato si", das hat Franziskus oft betont, ist gewiss nicht das katholische "Öko-Manifest", als das es oft wahrgenommen wird. Umweltschutz ist für ihn untrennbar verknüpft mit der Forderung nach weltweiter sozialer Gerechtigkeit. Die Auswüchse des Kapitalismus, Flüchtlingsströme, Menschenrechte und nicht zuletzt den Lebensschutz kann man nach seiner Auffassung nicht losgelöst davon betrachten.

Mit dieser Deutung hat der Papst die Paradigmen der Kirche nachhaltig verschoben und ihre Theologie um eine ökologische Dimension bereichert. Vor allem in Lateinamerika hat er dadurch neue Mitstreiter gewonnen. Einer, der die Inhalte von "Laudato si" verinnerlicht hat wie kein Zweiter, ist Mauricio Lopez. Der 43-Jährige ist Generalsekretär des kirchlichen Amazonas-Netzwerks Repam (Red Eclesial Panamazonica). Die Enzyklika ist zu dessen Grundsatzprogramm geworden.

Notwendigkeit zum Handeln

Wer Lopez in seinem Büro im ecuadorianischen Quito besucht, findet im Regal neben dem Schreibtisch Dutzende Ausgaben. Für interessierte Gesprächspartner hat er sie stets griffbereit. "Wer 'Laudato si' nicht kennt, kann unmöglich die Amazonas-Synode und ihre Bedeutung verstehen", sagt der Repam-Experte. Das Engagement für den tropischen Regenwald und die dort lebenden indigenen Völker lasse sich unmittelbar aus dem Papstschreiben ableiten.

Das "Doppel Enzyklika-Synode" hält Lopez für eine der kraftvollsten aktuellen Entwicklungen innerhalb der Kirche. Der Prozess sei mit dem Ende des Bischofstreffens, das im Oktober im Vatikan stattfand, keineswegs abgeschlossen. Die Notwendigkeit zum Handeln, so der Mexikaner, werde immer größer: "Wir erleben Morde, Enteignung, Brandstiftung."

Der Schrei der Erde

Tomas Insua, der aus Argentinien stammende Geschäftsführer der Klimaschutzbewegung Global Catholic Climate Movement (GCCM), sieht das ähnlich. Die Gründung seiner Organisation ist eine Folge von "Laudato si", die er für "einen Meilenstein" hält. "Der Weg ist weit und wird noch lange dauern", sagt der 32-Jährige. Er koordiniert den weltweiten Ausstieg katholischer Institutionen aus fossilen Energien. Mehr als 150 haben sich bisher beteiligt, darunter verschiedene Diözesen und der Dachverband Caritas Internationalis. Der fünfte Geburtstag der Enzyklika ist für Insua eine Gelegenheit zum Innehalten. "Wie weit sind wir gekommen, wohin ruft uns der Glaube jetzt?", fragt er sich.

Franziskus hat darauf vor einigen Wochen eine Antwort gegeben, als er seinen Ruf angesichts einer weltweiten "ökologischen Krise" erneuerte. Es müsse dringend auf den "Schrei der Erde und der Armen" gehört werden, mahnte er Anfang März in einer Videobotschaft. Er lud alle Gläubigen ein, an einer Aktionswoche vom 16. bis zum 24. Mai teilzunehmen - eine "globale Kampagne" zum Jahrestag von "Laudato si". Wie sehr die Corona-Pandemie dieses Projekt überschatten würde, konnte der Papst damals noch nicht wissen. (Alexander Pitz/kna)