Priesterweihe

In der Nachfolge Jesu

Christus als Haupt der Kirche sichtbar zu machen, das sieht Wolfgang Lehner, Regens des Münchner Priesterseminars als Aufgabe des Priestertums. Fünf Neupriester treten diesen Dienst ab Samstag an.

Am 26. Juni 2021 weiht Kardinal Marx fünf Männer zu Priestern. © Wheat field - stock.adobe.com

Am Samstag, 26. Juni, werden wir im Münchner Liebfrauendom die Weihe von fünf Diakonen unseres Erzbistums zu Priestern feiern dürfen, in der unser Erzbischof Kardinal Reinhard Marx den Weihekandidaten die Hände auflegen und über sie das Weihegebet sprechen wird. Inmitten der Corona-Müdigkeit wird dieser Gottesdienst ein Fest der Freude sein, für die Neupriester und ihre Familien wie für das ganze Erzbistum. Doch in welche kirchliche Wirklichkeit hinein treten sie ihren Dienst an?

Wert der persönlichen Verantwortung

Vor wenigen Tagen hat Papst Franziskus auf die Bitte unseres Erzbischofs reagiert, ihn von seiner Aufgabe zu entbinden. Er hat ihn gebeten zu bleiben, und er hat dies in einem für mich bemerkenswerten Brief getan: Mit einer ungemein persönlichen Wärme, die sich im spanischen Original noch viel vertrauter liest als in der deutschen Übersetzung. Mit kräftigen Bildern und einer in manche Richtungen interpretierbaren Botschaft zur Reform in der Kirche. Einen Zehn-Punkte-Plan hat Papst Franziskus wieder einmal nicht vorgelegt, stattdessen betont er den Wert der persönlichen Verantwortung: Auch wenn Petrus ein noch so großer Sünder ist, soll er Jesus nachfolgen und in seinen Dienst treten; zu viel an positiver Leidenschaft hat er schon gezeigt, als dass ihn Jesus nun einfach wegschicken würde.

Unsere Neupriester treten ihren Dienst in einer Kirche an, die auf der Suche nach ihrer Rolle ist. Papst Franziskus spricht von einer Krise, deren Ende er nicht so rasch kommen sieht. Diese Krise betrifft nicht nur die vielbeschworene Glaubwürdigkeit oder die eine oder andere Frage von Strukturen oder Diensten, sondern sie betrifft das Selbstverständnis der Kirche, wie mir scheint. Ein Beispiel: Besteht innerhalb der Kirche Konsens darüber, dass sie als Ganze eine sakramentale Wirklichkeit ist, in der Jesus Christus als Haupt gegenwärtig ist und wirkt? An dieser einen Frage entfalten sich viele weitere. Für das Priestertum etwa: Besteht in der Kirche Konsens darüber, dass geweihte Priester in der Stellvertretung Jesu Christi für das ganze priesterliche Volk Gottes einen unverzichtbaren Dienst tun?

Dienstamt inmitten aller Getauften

Die Kirche ist nicht deshalb Kirche, weil sich in ihr Menschen gleicher Überzeugung oder gleicher Haltung treffen, sondern weil Jesus Christus in der Taufe Menschen beruft, ihm nachzufolgen und Zeichen für das kommende Reich Gottes zu sein. Für diese Kirche bestellt er Hirten, und nur in diesem Sinn kann Petrus den Auftrag erhalten, Hirte für Lämmer und Schafe zu sein – obwohl er persönliche Schuld auf sich geladen hat. Haupt der Kirche ist und bleibt Christus.

Dieses Haupt sichtbar zu machen – vor allem in der Feier der Eucharistie und der Versöhnung –, ist Aufgabe des Priestertums als Dienstamt inmitten aller Getauften und über sie hinaus. Besteht über diese Grundzüge, wie sie im Zweiten Vatikanischen Konzil formuliert sind, Konsens? Ist das nicht der Fall, dann gilt jede sakramentale Ordination per se als potenzielle Überhöhung und als Einfallstor für Machtmissbrauch. Damit wären bereits Diakone, Priester und Bischöfe als solche ein Problem, das die Kirche überwinden müsste.

Priesterausbildung verändert sich beständig

Fraglos gibt es einigen Reformbedarf im Bereich der priesterlichen Existenz und auch der Priesterausbildung: Die Bischöfe Deutschlands haben dazu einen Reformprozess angestoßen, der sich mit Zielen, Kriterien und Ausbildungswegen beschäftigt. Die Priesterausbildung verändert sich beständig; die kommenden Jahre werden die Dynamik noch einmal verstärken. Der „Synodale Weg“ kann für unseren Bereich wichtige Impulse liefern: Systemische Fragestellungen allein werden allerdings nicht den Weg aus der Krise weisen können, das hat auch der Brief von Papst Franziskus deutlich gemacht. „Es sind nicht die Untersuchungen, die uns retten werden, und auch nicht die Macht der Institutionen.“ Erneuerung geschieht nur in der persönlichen Bindung an Christus und in der persönlichen Nachfolge: „Was uns retten wird, ist: die Tür zu öffnen für den Einen, der allein uns retten kann, und unsere Nacktheit zu bekennen.“

"Herr, du bist mein Weg"

Bei aller jahrelangen Ausbildung: Reichlich wenig bringen unsere fünf Neupriester in eine Kirche mit, die gerade auf der Suche nach ihrem Herrn und sich selbst ist. All ihre Gaben und Talente, die sie in ihren Gemeinden fruchtbar machen werden, werden nicht für die schnelle Lösung aller Probleme sorgen. Aber sie tun das Entscheidende: Sie bringen nicht etwas mit – eine Reform, eine Kompetenz, ein Konzept –, sondern sie bringen sich selbst mit. Sie lassen sich nun senden nach Wasserburg und Olching, nach Buchbach, Schönberg, Neumarkt-St. Veit und Ampfing – mit diesen Stationen wird ihr Weg beginnen.

Einer unserer Neupriester hat sich als Primizspruch einen Liedvers ausgewählt: „Herr, du bist mein Leben; Herr, du bist mein Weg.“ Wer mit diesen Worten in aller Wahrhaftigkeit Ernst macht, erneuert die Kirche von innen heraus. Auf diesem Weg der Erneuerung wünsche ich unseren Neupriestern Gottes reichsten Segen, damit sie zum Segen für andere werden können. (Wolfgang Lehner, Regens des Münchner Priesterseminars St. Johannes der Täufer)

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