Träume und Visionen

In der Bibel wird viel geträumt

Im Alten und im Neuen Testament haben Traumerzählungen eine große Bedeutung. In den Texten spricht Gott zu den Menschen.

Träume spielen in der Bibel eine große Rolle. © NeoLeo - stock.adobe.com

Wissen Sie noch, was Sie vergangene Nacht geträumt haben? Manchmal huschen unsere Träume ganz unerinnert durch unseren Schlaf. Dann wieder sind sie erstaunlich deutlich und einprägsam, schön oder beängstigend, bildreich und verwirrend und beschäftigen uns auch noch nach dem Aufwachen. Schon immer haben sich die Menschen Gedanken gemacht, wo diese Flut von unbewussten Bildern herkommt und was sie bedeutet.

Nur ein Stilmittel des Autors?

Bereits frühe Kulturen haben darin oft einen Fingerzeig des Schicksals oder Gottes vermutet, den es allerdings aufzuspüren und richtig zu deuten galt. Dieses Traumverständnis zeigt sich in vielen biblischen Geschichten. Allerdings finden wir dort nicht mehr die Träume der Menschen in unmittelbarer Form, sondern sie sind als Traumerzählungen eingebettet in lange gewachsene und tradierte Literatur. Wir können also nicht mehr herausfinden, ob diesen Erzählungen reale Träume zugrunde lagen oder ob sie nur ein Stilmittel des Autors waren. Dennoch haben Träume eine große Bedeutung, vor allem im Alten Testament. Immer wieder lassen die biblischen Texte Gott zu den Menschen im Traum sprechen, um ihnen Wege aufzuzeigen, seine Verheißung zu verkünden, sie zu warnen oder Ähnliches

So gebietet Gott zum Beispiel dem Jakob „in einer nächtlichen Vision“, nach Ägypten zu ziehen mit der Verheißung, ihn dort zu einem großen Volk zu machen (Gen 46,1–5) und er erscheint dem Salomo im Traum (1 Kön 3,5), um ihn aufzufordern: „Sprich eine Bitte aus, die ich dir gewähren soll!“ Auch bei den Propheten geschah die Erkenntnis göttlicher Offenbarung wohl manchmal im Traum, wobei hier aber die Begriffe Vision und Traum schwer zu trennen sind. Die nächtlichen Visionen des Sacharja etwa erinnern durchaus in ihrer symbolstarken Bildsprache an wilde, farbige Träume. Allerdings sind sie bereits literarisch sehr geordnet und liefern die Deutung des Traums durch einen „Deute-Engel“ schon mit. Auch nicht ganz eindeutig ist es bei Samuel: Ist es ein Traum, in dem Samuel sich nachts, als er im Tempel schläft, von Gott immer wieder gerufen hört, oder ist es eher ein Weckruf aus Traum und Schlaf? (1 Sam 3,1ff)

Gabe der Deutung ein Geschenk Gottes

Doch wenn es um biblische Traumerzählungen geht, gibt es einen Namen, der den meisten wohl zuerst einfällt: Josef, der Lieblingssohn des Jakob. Er wird in der romanhaften Josefsgeschichte im Alten Testament zum Urbild des biblischen Träumers und vor allem Traumdeuters. Seine Träume sind von anderer Art als die zuvor geschilderten. In ihnen spricht Gott nicht direkt zu ihm, sondern er sieht zeichenhaftes Geschehen, das erst gedeutet werden muss. Die Gabe der Deutung ist ein Geschenk Gottes, das Josef in herausragender Weise gegeben ist. Zunächst scheint es ihm allerdings nur Unheil zu bringen. Denn die Deutung der Träume, in denen er Vater, Mutter und Brüder sich vor ihm verneigen sieht, bringt ihm zunächst die Feindschaft seiner Brüder und die Sklaverei in Ägypten ein. Dort aber bringt ihn seine Gabe dann ganz nach oben an die Seite des Pharao: Er deutet die Träume des Pharao so treffend, dass es dadurch möglich wird, eine Hungersnot abzuwenden.

Engel verkünden Botschaften in Träumen

Das führt zur Wiederbegegnung mit seiner Familie und zur Rettung seines Volkes. Traumerzählungen sind also auch hier als göttliche Fingerzeige eingesetzt. Sie setzen ein Geschehen in Gang, bei dem Gott mit Josef als „Werkzeug“ die Rettung des Volks Israel bewerkstelligt. Wen wundert es also bei diesem Namensvorbild, dass auch beim neutestamentlichen Josef Träume eine große Rolle spielen? Es geschieht durch die Botschaft eines Engels im Traum, dass Josef begreift, dass er zu Maria stehen soll, obwohl er sich doch von ihr trennen wollte. Im Traum erkennt er, dass dieses Kind, das nicht von ihm, sondern vom Heiligen Geist stammt, der Retter ist, auf den bereits Jesaja hingewiesen hat. Und ebenfalls im Traum warnt der Engel ihn, vor Herodes mit seiner Familie nach Ägypten zu fliehen. Diese Traumerzählungen sind ganz bewusst in alttestamentlicher Tradition gestaltet und binden die Geburt Jesu daran an. Was Josef wirklich geträumt hat, wissen wir nicht.

Und unsere Träume? Sollten Sie nun versucht sein, in Ihren eigenen Träumen göttliche Botschaften aufzuspüren, möchte ich mich dann doch der Skepsis des Jeremia anschließen, die zeigt, dass auch damals nicht alles eindeutig war: „Ich habe gehört, was die Propheten reden, die in meinem Namen Lügen prophezeien und sprechen: Einen Traum habe ich gehabt, einen Traum.“ (Jer 23,25). Die richtige Traumdeutung ist eben sehr persönlich und immer eine diskussionswürdige Sache. (Susanne Deininger; Pastoralreferentin im Pfarrverband Dachau-St. Jakob)