Dialog der Religionen

Imam und Priester- so ähnlich und doch verschieden

Sowohl Imame als auch katholische Priester sind Seelsorger. Trotzdem gibt es einen wichtigen Unterschied zwischen beiden.

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München – Auf den ersten Blick scheinen sie sich kaum voneinander zu unterscheiden: sowohl der katholische Priester als auch der Imam im Islam haben in ihren Gemeinden eine herausgehobene Stellung. Daraus kann man aber nicht automatisch schließen, dass ihre Funktionen und Rollen in der Seelsorge die gleichen sind. Bei der Ausbildung zumindest liegen beide ziemlich nah beieinander. Ähnlich wie ein Priester wird ein Imam für seine Aufgabe intensiv ausgebildet, erklärt Imam Belmin Mehic vom Münchner Forum für Islam. Die Ausbildung eines Imams umfasse sowohl theologische als auch gemeindepraktische Inhalte. Dazu gehöre die Koran-Rezitation, die Leitung von Ritualen und Zeremonien und verschiedene Aspekte der Seelsorge.

Einsatz für den Dialog mit anderen Religionen

Auf die praktische Ausbildung folge dann in der Regel ein Theologie-Studium. Der zukünftige Imam soll damit in die Lage versetzt werden, die Gläubigen der Moschee-Gemeinde geistlich zu begleiten. Als Kernaufgaben eines Imams in der Gemeinde nennt Imam Belmin das Leiten der Gebete wie das Freitagsgebet mit Predigt, das Abhalten von Eheschließungen und Trauerzeremonien, „Menschen in ihren frohen und schwierigen Zeiten beizustehen“. In einer Großstadt wie München sei ein Imam auch gesellschaftspolitisch gefordert, findet Imam Belmin. Er soll sich für einen Dialog mit den anderen Religionsgemeinschaften einsetzen. „Darüber hinaus gehört zu seinen weiteren Aufgaben die öffentliche Stellungnahme zu Ereignissen in der Welt und in der Gesellschaft“.

Mittlerrolle im Islam nicht vorgesehen

Wie der Priester ist also auch der Imam kein normaler Gläubiger. Und beide sind Seelsorger mit vergleichbaren Aufgaben. Der zentrale Unterschied zwischen beiden liegt also weniger in der Praxis als im jeweiligen Amtsverständnis. Priester handeln im Auftrag Jesu und sind somit Mittler zwischen Gott und den Menschen. Diese Berufung ist ihnen in der Priesterweihe geschenkt worden. Das zeigt sich zum Beispiel recht anschaulich im Sakrament der Beichte, bei dem der Priester einen Gläubigen von seinen Sünden lossprechen kann.

Die islamische Theologie sieht eine Mittlerrolle zwischen Gott und den Menschen nicht vor. Im Islam könne ein Geistlicher eine hervorgehobene Position nur durch persönliche Glaubwürdigkeit erreichen. Was ihn von einem normalen muslimischen Gläubigen unterscheide, sei seine ausgeprägte Vorbildfunktion. Er soll sowohl mit seinen Worten als auch Taten ein vorbildhaftes Verhalten ausstrahlen, so Imam Belmin. „Was gepredigt wird, sollte auch gelebt werden“. Ein Anspruch, den man sicher auch an einen katholischen Priester richten würde. Zusammenfassend lässt sich sagen: Es gibt sie durchaus, die Berührungspunkte zwischen Priester und Imam. Der zentrale Unterschied liegt auf der theologischen Ebene, die man im interreligiösen Dialog nicht einfach ausblenden kann.

Der Autor
Paul Hasel
Radio-Redaktion
p.hasel@michaelsbund.de