Lachen im Krankenhaus

Im Humor wird Würde spürbar

Krankheit und Tod sind für ihn Alltag: Pastoralreferent Martin Holzner-Kindlinger ist katholischer Seelsorger im Klinikum Schwabing. Er weiß, welche Rolle der Humor gerade auch in schlimmen Situationen spielt.

Pastoralreferenten Martin Holzner-Kindlinger spricht über Humor in schlimmen Situationen. © Zöpfl/SMB

mk-online: Als Krankenhausseelsorger sind Sie oft mit sehr schwierigen Situationen konfrontiert. Ist da Lachen überhaupt erlaubt?

Martin Holzner-Kindlinger: Erlaubt ist es sicherlich, künstlich herbeigeführt macht es aber keinen Sinn. Wenn es aus der Situation heraus und ehrlich ist, warum nicht? Sonst dürfte man ja auch nicht weinen.

Was ist Ihre Erfahrung, welche Bedeutung hat der Humor für Menschen in Extremsituationen?

Das kann man so pauschal nicht beantworten. Spannend finde ich, dass sich in Stress- und Krisensituationen zeigt, welche Grundhaltungen vorhanden sind. Wenn also jemand in seiner grundsätzlichen Haltung durchaus humorvoll ist und gerne lacht, dann wird er das wohl auch in diesen Momenten tun. Dass Humor schwierige Situationen retten kann, stelle ich auch im Gespräch mit Mitarbeitern fest.

Ein Notarzt hat mir zum Beispiel von einer Reanimation an der U-Bahn-Haltestelle erzählt. Um ihn herum hatten sich Schaulustige versammelt. Der Notarzt war davon genervt und hat gesagt: „So, wir machen jetzt einen Crashkurs in Reanimation. Wichtig ist für diese Bewegung ein gewisser Rhythmus. Ich bitte Sie, mich zu unterstützen, wir singen das Lied ,Stayin’ Alive‘.“ Dann hat er das Lied angestimmt, und der ganze Bahnsteig hat „Stayin’ Alive“ gesungen. Der Mensch hat es überlebt.

Wie gehen Sie konkret als Seelsorger vor, um festzustellen, welche Art der Kommunikation angemessen ist?

Ich versuche, Stimmungen zu begreifen und wahrzunehmen. Ist jemand müde, von Schmerz geplagt? Ich versuche einfach, ins Gespräch zu kommen. Es gibt aber auch Situationen, wo sich trotz Bemühens kein Gespräch ergibt. Dann darf man auch einen Punkt setzen. Bei einem Menschen, der in einer Depression steckt, ist es zum Beispiel durchaus auch sinnvoll, zu versuchen, diese Stimmung ein bisschen aufzuhellen. Das kann jetzt nicht unbedingt mit Witzen geschehen, eher damit, dem Patienten einen Ausblick zu geben. Es gilt, nachzuspüren, wo helle Momente, humorvolle Elemente sind, und diese vielleicht mit den Patienten zusammen zu entdecken.

Die Menschen rufen Sie, und Sie kommen. Bedeutet das automatisch, dass die Menschen Ihnen gegenüber offen sind?

Wenn ich gerufen werde, ist eine Offenheit da. Aber auch die Offenheit ist für mich unklar. In vielen Fällen heißt es zum Beispiel, unser Angehöriger liegt im Sterben, wir hätten gerne die letzte Ölung. Dann muss ich die Menschen fragen, was die letzte Ölung eigentlich für sie ist. Die gibt es in dem Sinne nicht. Wenn es ein Sterbesakrament gibt, ist das nicht die Krankensalbung, sondern die Kommunion. Oder die Angehörigen erwarten, dass ein Pfarrer kommt. Bei mir als Mann fällt das vielleicht nicht direkt auf, dass ich kein Pfarrer bin. Würde meine Kollegin kommen, wäre schon die erste Irritation gegeben. Aber was ist das spezifisch „Pfarrerliche“, das einen Pfarrer ausmacht?

Erinnern Sie sich an Situationen, in denen der Humor eine wichtige Rolle spielte?

Natürlich gab es Gespräche, in denen Humor und Gelassenheit geholfen haben. Einmal habe ich zum Beispiel einen bekannten Schauspieler auf der Intensivstation besucht. Und ich habe gemerkt, dass er sich als bekannte Persönlichkeit schwer tut, über sein Privatleben zu sprechen. Also ist er in eine berühmte Filmrolle reingeschlüpft. Und auf der Ebene haben wir uns eigentlich ganz gut miteinander unterhalten können. Wenn ich in den Folgetagen vorbeikam, kam aus dem Zimmer ein „Gelobt sei Jesus Christus“, ich sagte: „In Ewigkeit. Amen.“

Ich kann mich auch an ein Gespräch erinnern, da hat mir ein Patient einen Witz erzählt. Ich habe den Witz nicht verstanden, weil der Mann sich krankheitsbedingt nicht so gut artikulieren konnte. Ich habe aber herausgehört, dass der Witz auf Papst Johannes XXIII. anspielt, auf die Haltung, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen. Den Witz als solchen habe ich nicht verstanden, ich habe aber gespürt, da macht jemand eine wichtige Aussage über sich selbst. Und die wollte ich nicht in Frage stellen. Da war für mich klar, du hast den Witz zwar nicht kapiert, Lachen ist jetzt aber hilfreich im Gegensatz zum Nachfragen. Ich habe also herzhaft gelacht und zugestimmt.

Sie haben auch viel mit Sterbenden und deren Angehörigen zu tun. Inwiefern passt Humor mit dem Tod zusammen?

Wenn ein Mensch stirbt, ist das ein schreckliches Ereignis für die Angehörigen und für den Sterbenden selbst auch. Oft ist es so, dass der Sterbende nicht mehr so aktiv kommuniziert, wenn ich gerufen werde. Da kann für die Angehörigen vor allem ein normaler Umgang hilfreich sein. Zum Beispiel, sich so zu unterhalten, als ob der Sterbende mitreden würde. Faszinierend an Humor und Leichtigkeit in solchen Situationen ist, dass eine Würde spürbar wird, die scheinbar in der Krise nicht immer zum Tragen kommt.

Ist es Ihre Form des Humors, eine gewisse Gelassenheit in besonders schwierige Situationen zu bringen?

Ich finde es wichtig, auch die würdevollen und liebenswürdigen Momente im Leben zu entdecken und hervorzuheben. Auch das ist für mich eine Form des Humors. Wenn ich hier aus dem Fenster schaue in den Garten, der so klösterlich geprägt ist, weil hier in diesem Hause bis in die 60er-Jahre die Krankenpflege von Ordensschwestern betrieben worden ist, dann sehe ich eine Marienfigur. Ich stelle mir da beispielsweise vor, dass sich in der Vergangenheit häufig Ordensschwestern der Maria anvertraut haben, sich vielleicht an sie angeschmiegt haben. Und dass sie an schwierigen Tagen gedacht haben, „gell, heut’ hast du mir nix zu sagen.“ In so einem Schwächemoment, in dem man sich vielleicht nicht geschätzt fühlt, eine andere Spur hineinzubringen, das ist für mich auch eine Art der Humorhaltung.