Unheilbar krank

„Ich will nicht auf den Tod warten“

Susanna Zsoter war 28 Jahre alt als sie erfuhr, dass sie unheilbar an Darmkrebs erkrankt ist. Das war vor fünf Jahren. Trotz der Diagnose, kämpft sie. Nicht nur für sich.

Susanna Zsoter während einer Behandlung. © privat

Zirndorf – Innerhalb von nur ein paar Monaten sei sie von „ganz oben ins Tal gefahren“, beschreibt die 33-Jährige den Verlauf ihrer Diagnose. Als Jugendliche wurde bei Susanna Zsoter Morbus Crohn - eine chronische, fortschreitende Entzündung des Darms - diagnostiziert. Als es ihr im Mai 2015 plötzlich schlechter ging, dachte sie erst, es sei ein neuer Schub. Doch sie war schwächer, nahm innerhalb von 8 Wochen 10 Kilo ab und konnte nichts essen: „Ich bin vor einem vollen Teller verhungert.“ Sie wurde künstlich ernährt. Als sie eines Nachts auf Toilette war und nur noch Blut sah, wusste sie: „Jetzt habe ich wirklich ein Problem.“

Notaufnahme. Darmverschluss. Operation. Und dann die Nachricht, die sie eiskalt erwischte: Während der OP wurde ein Tumor festgestellt. Darmkrebs. Gute Nachrichten: Der Tumor im Darm konnte entfernt werden. Anschließend Chemotherapie, um eine Streuung auszuschließen. Sepsis. Behandlung muss unterbrochen werden. Zeit verstreicht. Wertvolle Zeit. Der Krebs streut. Metastasen in der Leber und den Lymphknoten. Operation nicht möglich. Alle Standardtherapien ausgeschöpft. Diagnose: Unheilbar. Susanna Zsoter erinnert sich an die Monate nur noch in Bruchstücken: „Es war ein Trauma und die Seele hat es in ein Kästchen gesteckt“. Nach und nach kommen heute die Erinnerungen blitzartig zurück.

Beginn eines Wunders

Mit 28 Jahren wurde ihr geraten, ihre letzten Dinge zu regeln. Schon seit vielen Jahre führte die junge Frau eine Bucket List. Also eine Liste mit Dingen, die man vor seinem Tod machen möchte. Nach der Diagnose kam Susanna Zsoter immer wieder eins in den Sinn: „Ich war noch nie in Indonesien“. Die Reise in das südostasiatische Land stand immer auf der Liste.

 

Sie holte sich eine zweite Ärztemeinung ein. Mit dem Beginn einer Immuntherapie begann für sie ihr „persönliches kleines Wunder“. Es ging ihr sehr schnell besser und sie kam wieder zu Kräften: War sie zuvor vor Schwäche noch auf einen Rollstuhl angewiesen, konnte sie schließlich wieder selber laufen. Ein halbes Jahr nachdem sie „quasi gestorben“ sei, erfüllte sie sich 2017 dann ihren dringlichsten Wunsch: Sie reiste nach Indonesien und sah Orang-Utans in der freien Natur. Das zu machen, habe ihr „viel Seelenfrieden“ gegeben.

„Zufrieden stirbt es sich ruhiger“

In den nächsten Jahren bereiste sie fast ganz Europa. Mit einem Strahlen in den Augen zählt sie die Länder auf, schwärmt von Norwegen und erzählt, dass es ein „ganz besonderes Feeling“ gewesen sei, den Jakobsweg zu laufen. Man müsse manche Dinge machen, weil man sonst nicht in Ruhe die Augen schließen kann, ist sie überzeugt: „Zufrieden stirbt es sich angenehmer und ruhiger“

Erinnerungen sammeln

Vor ihrer Diagnose war es Zsoter wichtig, ein „gesellschaftlich anerkanntes Leben zu führen“ und „Karriere“ zu machen. Sie machte eine Ausbildung in der Veranstaltungsbranche, war Projektleiterin, besuchte berufsbegleitend eine Fachschule und studierte Wirtschaft und Management. Freie Zeit gab es wenig. Durch die Krankheit haben sich ihre Prioritäten geändert. „Ich möchte nicht die reichste Frau auf dem Friedhof sein“, erzählt sie im Interview schmunzelnd. Du kannst nichts ins Grab mitnehmen, aber schöne Erinnerungen blieben für immer, erläutert sie: „Heute ist die Zeit, an die sich meine Angehörigen erinnern werden. Und heute kann ich beeinflussen, an was sie sich später erinnern.“ Wenn sie tot sei, dann sollen sie sich an ihre positive Grundhaltung erinnern und mit „Tränen in den Augen lächeln“. Und das Sammeln von Erinnerungen gebe ihr auch selbst einen „inneren Frieden“.

 

Einsatz für Digitalisierung

Als „Krebskriegerin“ bloggt die junge Frau über ihr Leben als Palliativpatientin. Zunächst wollte sie darüber Bekannte und Freunde informieren. Doch mittlerweile hat sie über 7.000 Follower und sie nutzt ihre Aufmerksamkeit, um für das Thema Darmkrebs zu sensibilisieren. Sie appelliert, zur Vorsorge zu gehen: „Keiner muss den gleichen Weg gehen wie ich!“

Daneben engagiert sie sich bei weiteren Projekten. So hat sie „Geburtshilfe“ bei dem Netzwerk „Cancer unites“ geleistet. Es ist eine Plattform von Krebspatienten für Krebspatienten und Angehörige. Ein besonderes Anliegen ist für Susanna Zsoter außerdem die Digitalisierung: „Wenn ich meine Kaffeemaschine mit dem Handy anschalten kann, dann muss es auch möglich sein, etwas so Wichtiges wie eine Krebserkrankung zu verwalten.“ Bisher geschieht das alles in Papierform. Per Post würden die Unterlagen verschickt. Das koste Zeit und genau das sei ein „kritischer Faktor“ als Krebspatient, beschreibt Zsoter mit eindringlicher Stimme.

Mit den Health Hackers entwickelt sie eine App mit der Krebspatienten ihre Krankheit verwalten können. Auch Nebenwirkungen lassen sich so unkomplizierter festhalten, wodurch sie schneller erkannt würden, was die Überlebensrate erhöht. Mit Technologie lasse sich viel erreichen. Und da möchte Susanna Zsoter ihre Erfahrungen als Krebspatienten einbringen. Ihre Leidenschaft für das Thema ist, während sie redet, spürbar.

Sich über Alltägliches ärgern

Vor fünf Jahren erhielt die Fränkin die Diagnose. Mittlerweile arbeitet sie stundenweise wieder bei ihrem alten Arbeitgeber. Sie ist sehr glücklich darüber, dass das möglich ist, denn „Arbeiten ist ein Zeichen von Normalität“. Dabei ist ein Leben mit der Diagnose "unheilbar" letztlich natürlich alles andere als normal. Sie hat mit Müdigkeit zu kämpfen und weil ihre Nerven geschädigt sind, hat sie manchmal in den Händen und Füßen das Gefühl wie auf Nadeln zu treten. Zum Ausgleich macht sie gerne Sport: „Ich weiß es sehr zu schätzen, dass ich einen Körper hab, der funktioniert.“ Sie bouldert gerne und macht Seil-Klettern. „Nur weil ich Palliativpatientin bin und es keine Heilung gibt, muss ich mich nicht ins Bett legen“, sagt sie bestimmt: „Ich will nicht auf den Tod warten. Das Leben ist immer noch schön und ich will den Blick aufs Schöne richten“. 

Die Autorin
Katharina Sichla
Teamleiterin mk online
k.sichla@michaelsbund.de

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Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Tod und Sterben