Herbstvollversammlung des Diözesanrats

"Ich will ein synodaler Bischof werden"

Neben dem Gesamtstrategieprozess, Diözesanratswahlen, dem Synodalen Weg in Deutschland und dem synodalen Prozess der Weltkirche, war das Rücktrittsgesuch von Kardinal Reinhard Marx Thema bei der Versammlung. Dieser bekräftigte, dass er als Bischof des Erzbistums weiterarbeiten wolle.

Kardinal Reinhard Marx will weiter als Bischof von München und Freising wirken. © Kiderle

Synodaler Weg in Deutschland, synodaler Prozess der Weltkirche, Gesamtstrategieprozess im Erzbistum, Fragen rund um das Rücktrittsgesuch des Erzbischofs und das erwartete Missbrauchs-Gutachten, dazu Wahlen des Diözesanrats sowie ein Fachvortrag über 200 Jahre Erzbistum mit angeschlossener Gruppenarbeit – was nach der Themenliste eines ganzen Jahres klingt, wurde bei der Herbstvollversammlung des Diözesanrats an einem einzigen Tag behandelt. Es war ein Parforce-Ritt durch viele aktuelle Themen der katholischen Kirche im Erzbistum, in Deutschland und darüber hinaus.

200 Jahre Erzbistum

Zu Beginn gab der stellvertretende Direktor des Archivs und der Bibliothek des Erzbistums, Roland Götz, einen Überblick über die Bistumsgeschichte seit 1800, wobei er am Beispiel von sieben Entwicklungslinien immer wieder Vergleiche zwischen damals und heute anstellte, darunter das Klosterwesen, die Rolle der Laien und die Lebensform der Priester. Im Anschluss an sein Referat folgte ein Studienteil, bei dem die knapp hundert Teilnehmer der Vollversammlung dazu aufgerufen waren, in Gruppen über ausgewählte Aspekte der Bistumsgeschichte zu diskutieren und Thesen für die Gegenwart und die nähere Zukunft zu formulieren.

Wahlentscheidung über 20 Plätze

Es folgte die Wahl der Einzelpersönlichkeiten, welche neben den Räte- und Verbändevertretern das Plenum der Vollversammlung abrunden und in deren Reihen zahlreiche Politikerinnen und Politiker, Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, jedoch auch Unternehmer, Juristen, eine Bäuerin und ein Franziskanerbruder zu finden sind. Anders als üblich standen mehr Kandidaten zur Wahl als die 20 Plätze, die satzungsgemäß besetzt werden dürfen.

Nur rund zwei Drittel der 25 Kandidatinnen und Kandidaten waren anwesend – was sich als wichtiges Kriterium für die Wahl herausstellte, denn die wenigsten Stimmen entfielen auf fünf abwesende Kandidaten. Auch eine Nachwahl zum Vorstand des Diözesanrats stand auf der Tagesordnung: Als Nachfolgerin von Felicitas Freifrau von Weichs, die aus persönlichen Gründen zurückgetreten war, wurde die 35-jährige Alma Thoma von Sozialdienst katholischer Frauen in den Vorstand gewählt.

Stand des Gesamtstrategieprozesses 

Mit Spannung wurde der Programmteil „Bericht zur Lage“ am Nachmittag erwartet, bei dem vier Redner über aktuelle Entwicklungen sprachen. Den Auftakt machte Generalvikar Klingan, der in aller Kürze erläuterte, dass man derzeit in Phase vier des Gesamtstrategieprozesses angelangt sei, in der die zuvor in den Workshops erarbeiteten Ergebnisse nun zusammengeführt und in ein „strategisches Zielbild“ überführt werden. An einem ausgewählten Beispiel – dem Arbeitsfeld „Kirche vor Ort“ – sollen erste pilothafte Umsetzungen erfolgen, bevor ab 2022 weitere Arbeitsfelder nachziehen. Der Prozess als solcher soll jedoch laut Generalvikar noch dieses Jahr zum Abschluss kommen.

Dass der Gesamtstrategieprozess nach wie vor kontrovers diskutiert wird, belegten mehrere Wortmeldungen aus dem Diözesanrat, in denen Kritik an der Prozessstruktur und an der vermeintlich zu schwachen Rolle der Laien und Verbände sowie die Befürchtung geäußert wurde, am Ende würde wieder einmal nur viel geredet und wenig umgesetzt. Generalvikar Klingan wies die Kritik zurück und zeigte sich enttäuscht über den Vorwurf, die Laien seien nicht auf Augenhöhe mit einbezogen. Monsignore Klaus-Peter Franzl, der als bischöflicher Beauftragter Mitglied im Vorstand des Diözesanrats ist und auf dem Podium saß, verteidigte frühere Dialogprozesse wie „Dem Glauben Zukunft geben“, über die zu Unrecht schlecht geredet werde und deren Ergebnisse oft im Stillen und ohne Öffentlichkeitswirkung in die Arbeit des Erzbistums mit einflössen.

Der synodalen Prozess der Weltkirche

Ordinariatsdirektor Armin Wouters stellte den soeben gestarteten synodalen Prozess der Weltkirche vor, der auf die Weltbischofssynode 2023 hinführen soll. Dabei sind zunächst alle Diözesen aufgerufen, ihre Erfahrungen mit gemeinsamer Entscheidungsfindung in einem maximal zehnseitigen Dokument zusammenzufassen. Anschließend werden auf der Ebene der Deutschen Bischofskonferenz alle Diözesandokumente zu einem einzigen Dokument zusammengeführt, woraufhin ein Dokument für ganz Europa und zuletzt ein weltweites Dokument entstehen soll, das dann der Bischofssynode vorgelegt wird. Wouters beklagte die knappe Zeit, die für das Erarbeiten des diözesanen Dokuments zur Verfügung stehe, und deutete an, man wolle dafür bereits bestehende Erkenntnisse verwenden und könne so kurzfristig keine neue Befragung unter den Gläubigen durchführen.

Professor Tremmel schilderte in seiner Rede seine Eindrücke von der Synodalversammlung des Synodalen Wegs in Frankfurt am Main Anfang Oktober und zeigte sich einmal mehr positiv vom Gesprächsklima überrascht. Er stellte fest, dass eine deutliche Mehrheit einhellig für Aufbruch und Reformen in der Kirche stehe, und kritisierte zugleich diejenigen, welche meinten, sie hätten die Wahrheit, und sich der Wirklichkeit verweigerten. Ebenso übte er Kritik am weltweiten synodalen Weg, bei dem den Laien nur die Rolle von Balljungen zugedacht sei, auf dem Spielfeld stünden aber am Ende wieder nur die Bischöfe.

„Ich hab Lust auf euch!“

Ein Raunen ging durch die Reihen, als sich Professor Tremmel mit den Worten „Und nun zu Ihnen, lieber Herr Kardinal“ schließlich an den neben ihm sitzenden Erzbischof wandte – hatte der Vorsitzende doch schon in der Einladung zur Vollversammlung geschrieben, er sei gespannt, „was uns Kardinal Marx nach den überraschenden Briefwechseln des Sommers zu berichten hat“. Professor Tremmel erinnerte noch einmal an das Rücktrittsgesuch des Kardinals, mit dem er „Verantwortung für eine ziemlich desolate Organisation“ übernehmen habe wollen, was ein Novum gewesen sei. Nach der Ablehnung durch den Papst habe der Kardinal mit der Andeutung eines abermaligen Amtsverzichts jedoch für Irritationen gesorgt, und Professor Tremmel schloss: „Haben Sie keine Lust mehr auf uns und Ihr Erzbistum? Wir jedenfalls würden gern mit Ihnen weitermachen!“

Kardinal Marx begann seine Ansprache launig („Ich hab Lust auf euch!“) und ließ die vergangenen Monate noch einmal Revue passieren. Die Andeutung, möglicherweise ein weiteres Mal seinen Rücktritt anzubieten, erklärte er damit, dass er sich gegen Vorwürfe habe wehren wollen, sich mit der Ablehnung des Rücktrittsgesuchs einen „Persilschein“ für alle möglichen weiteren Vorwürfe abgeholt zu haben. Und er betonte erneut, dass zukünftig Situationen entstehen könnten, in denen er nicht mehr das Vertrauen der Gläubigen genieße – und dass dann geredet werden müsse. „Man weiß nicht, was kommt“, sagte der Kardinal, bekannte aber für die Gegenwart, er wolle, „so wie es jetzt steht, mit großer Freude, mit Zuversicht, mit Ihnen zusammen weiterarbeiten“. Rund 700 Briefe habe er von Gläubigen erhalten, von denen ihm die meisten viel Zuspruch signalisiert hätten.

Ein synodaler Bischof 

Als wichtige Themen für die kommende Zeit benannte der Erzbischof drei Punkte: erstens die weitere Aufarbeitung der Missbrauchsfälle, die untrennbar mit der Reformdebatte verknüpft sei. Daraus müssten neue Seelsorgekonzepte entstehen, die die Kirche wieder als einen Ort des Heils und der Hoffnung erfahrbar machen. Zweitens die Verwirklichung einer synodalen Kirche, und drittens eine Pastoral der Freundschaft und Inklusion, die nach der Maßgabe des Papstes von den Rändern der Gesellschaft her denkt.

Zum Schluss bekräftigte Kardinal Marx nochmals, „in diesem schönsten Bistum Deutschlands“ weitergehen und „ein synodaler Bischof werden“ zu wollen. Gefragt, wodurch sich ein synodaler Bischof auszeichne, entgegnete er, das müsse man zusammen erkunden, und deutete Möglichkeiten wie eine Selbstverpflichtung des Bischofs in Entscheidungsprozessen, einen Rechenschaftsbericht des Bischofs oder auch das Instrument einer Vertrauensfrage an. Mit der Veröffentlichung des rechtsanwaltlichen Gutachtens zu den Missbrauchsfällen im Erzbistum wird indes für die Zeit rund um den Jahreswechsel gerechnet, wie Generalvikar Klingan auf Nachfrage bestätigte. Es sind bewegte Zeiten in der Kirche, und nach der Herbstvollversammlung des Diözesanrats ist klar: Daran wird sich so schnell nichts ändern.

Der Redakteur
Joachim Burghardt
Münchner Kirchenzeitung
j.burghardt@michaelsbund.de