Presse und Verantwortung

Grenzen der Berichterstattung

Bei medienethischen Fragen gibt es selten einfache Antworten, aber man kann lernen, gute Entscheidungen zu treffen. Zum Beispiel in der katholischen Journalistenschule ifp.

In Deutschland gibt es eine große mediale Vielfalt. © sebra - stock.adobe.com

München – „Fragen kann man immer“, sagt Burkhard Schäfers, Studienleiter am Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchs (ifp) in München, „aber es gibt Grenzen der Berichterstattung.“ Man könnte den ersten Teil der Aussage für unsensibel halten, aber sie ist professionelle Neugier und ein wenig flapsig schiebt Schäfers hinterher: „Der Andere muss ja nicht antworten.“ Seit über 10 Jahren betreut er die Volontäre der katholischen Journalistenschule, organisiert ihre Ausbildung und steht mit Rat und Tat zur Seite. Denn er ist selbst kein reiner Theoretiker, sondern zu gleichen Teilen als Journalist vor allem im öffentlich-rechtlichen Rundfunk tätig.

In den Seminaren des ifp sind Fragen der Medienethik immer wieder Thema. Zum einen ist für jeden Jahrgang der Journalistenschule ein ganzer Tag den Fragen von Fairness, Objektivität und Moral gewidmet. Für den Jahrgang 2018 zum Beispiel referierte Sascha Borowski, stellvertretender Vorsitzender eines Beschwerdeausschusses zum ifp, über das Thema und zeigte Beispiele von Verfehlungen in Print, Fernsehen oder Radio. Vor allem aber geht es darum, den jungen Volontären den Weg zu zeigen, selbstständig denkende und verantwortungsbewusste Journalisten zu werden. Daher hält Borowski auch keinen Vortrag, sondern sucht die Diskussion.

Sagen, was ist?

Dafür zeigt Borowski Beispiele: Ist es unethisch, Claudia Effenbergs Vorwürfe gegenüber Thomas Strunz abzudrucken, ohne ihn nach einer Stellungnahme zu fragen? Mit solchen, einfachen Fragen fängt es an, aber bei einem Bild, das fast jeder kennt, wird es schwierig: Ein totes Kind an einem türkischen Strand. Auf dem Höhepunkt der medialen Berichterstattung über das Sterben im Mittelmeer wurde das Foto des ertrunkenen Alan Kurdi das Symbolbild für eine menschengemachte, humanitäre Katastrophe. Aber das Foto zeigt eben auch ein totes Kind und das ist problematisch. Denn eigentlich zeigt man keine Bilder von Toten – erst recht nicht von Kindern, weil sie oft nur Sensationslust bedienen. Aber in diesem Fall ist es wohl angemessen – so entschied jedenfalls der deutsche Presserat.

Die Frage wird auch künftig viel diskutiert werden, meint Burkhard Schäfers und stellt einen ganz aktuellen Bezug zu den Fernsehbildern aus Beiträgen über die Corona-Pandemie: „Zeigen wir im Fernsehen Bilder von Menschen, die auf der Intensivstation liegen oder gerade gestorben sind? Das ist ein Grenzfall. Manche Journalisten würden sagen, sie müssen zeigen, wie die Wirklichkeit ist, andere sagen, es reicht die Information, dafür brauche ich das Bild nicht.“

Empfindsame Schüler

Die Diskussion findet in den Seminaren immer wieder statt, auch wenn es nicht immer geplant ist. Wenn auch bei weitem nicht so intensiv wie an dem Seminartag „Medienethik“. Denn immer wieder stoßen die jungen Frauen und Männer an die Grenzen der eigenen Moralvorstellungen: Wie geht man mit einem Protagonisten für eine Reportage um, den man liebgewonnen, der aber ein Verbrechen begangen hat? Oder die Frage, wie man mit schlecht gekennzeichneter Werbung im eigenen Blatt umgeht. Burkhard Schäfers' Schüler seien in dieser Hinsicht empfindsam, sagt er. Bei der Auswahl der Bewerber wird auch auf einen moralischen Kompass wert gelegt.

Schäfers hat übrigens eine wohl überlegte Haltung zu den erwähnten Beispielen: „Ich bin da zurückhaltend, aber gleichzeitig lebt das Medium Fernsehen vom Bild und auch Zeitungen leben davon. Ich bin dafür, dass man da vielleicht Dinge andeutet und nicht ganz explizit zeigt“, erklärt er grundsätzlich. Bei dem Foto des toten Alan Kurdi hat er aber eine andere Idee: Ein anderes Bild vom gleichen Tag, von der gleichen Fotografin und vom gleichen Kind. Aber der Körper des Kindes wird von einem Retter geborgen und damit bekommt das Bild einen neuen Charakter: Es verheimlicht den Tod des Kindes nicht, es leugnet nicht das Sterben im Mittelmeer, aber es betont auch den Aspekt des Helfens.

Institut zur Förderung publizistischen Nachwuchses


Das ifp wurde 1968 im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz gegründet. Seither absolvierten mehr als 2.000 Journalisten hier Aus- und Fortbildungen. Zu den "Institutlern" gehören zahlreiche bekannte und preisgekrönte Journalisten wie Claudia Nothelle, Anne Reidt, Bettina Schausten, Klaus Brinkbäumer, Wolfgang Büchner, Thomas Gottschalk, Heribert Prantl oder Willi Steul.