Schäden nach Brand

"Gotisches Juwel" in Nantes schwer getroffen

Am Tag nach dem Brand der Kathedrale in Nantes wird das Ausmaß der Schäden sichtbar. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Brandstiftung. Auch die deutschen katholischen Bischöfe trauern um den kulturellen Verlust.

Der Brand hinterlies schwere Schäden in der gotischen Kathadrale. © imago images / Hans Lucas

Paris – In der 600 Jahre alten spätgotischen Fassade der Kathedrale von Nantes klafft an diesem Sonntag eine rußgeschwärzte Wunde. Das kostbare Glas im Spitzbogenfenster über dem Hauptportal konnte der Feuersbrunst am Vortag nicht standhalten und zerbarst. Die darunter liegende Orgel, ein mächtiges historisches Instrument mit 74 Registern, haben die Flammen vollständig zerstört, dazu Kunstgegenstände und Gemälde.

Frankreichs katholische Kirche und die ganze Kulturnation stehen nur 15 Monate nach dem verheerenden Brand der Kathedrale Notre-Dame de Paris erneut vor einer Katastrophe - wenn auch das Ausmaß der Zerstörungen zum Glück weniger dramatisch ist als in der Hauptstadtkirche.

Verdacht auf Brandstiftung

Das Feuer bricht am Samstagmorgen aus. Binnen kurzer Zeit sind mehr als 100 Feuerwehrleuten mit Löschfahrzeugen vor Ort. Die Polizei sperrt das gesamte Viertel ab. Als die Flammen nach rund drei Stunden endlich unter Kontrolle sind, der nächste Schock: Nach ersten Untersuchungen deutet alles auf Brandstiftung hin. Das Feuer sei an drei unterschiedlichen Stellen ausgebrochen, so der zuständige Staatsanwalt Pierre Sennes. Direkt an der Orgel und links und rechts davon im Hauptschiff. Einbruchsspuren finden sich nicht.

Wenig später nimmt die Polizei einen 39-jährigen Mann fest. Er ist ehrenamtlicher Mitarbeiter der Diözese Nantes. Zu seinen Aufgaben gehört es, die Kathedrale abzuschließen. Für Schlüsse sei es aber zu früh, mahnt Sennes. Die Ermittler wollen zunächst "Widersprüche" im geschilderten Tagesablauf des Mannes klären; Techniker untersuchen derweil die Elektrik in der Kathedrale auf mögliche Schwachstellen.

Auch der Anwalt des Mannes warnt in französischen Medien vor aufgeregten Vorverurteilungen. Der Hintergrund: Der Verdächtige ist den Angaben zufolge ein ruandischer Flüchtling, der sich zuletzt massiv über seinen Aufenthaltsstatus beschwert haben soll. Es gebe jedoch bisher keine belastbaren Verbindungen seines Mandanten zu dem Geschehen, so sein Anwalt.

Keine Menschen verletzt

Mit dem Brand sei ein wichtiger Teil des religiösen Erbes und ein Symbol des katholischen Glaubens zerstört worden, bedauerte die Französische Bischofskonferenz. Sie zeigte sich aber auch erleichtert, dass bei dem Feuer keine Menschen zu Schaden gekommen seien, und rief die Katholiken zum Gebet für die Gläubigen im Bistum Nantes auf, dessen Sitz derzeit vakant ist. Diözesanadministrator Francois Renaud sprach von einem traurigen Tag für die Kirche und die Stadt Nantes. "Jeder ist mit dieser Kathedrale verbunden."

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron sicherte der Bischofskonferenz sein Mitgefühl zu. Die nationale Gemeinschaft und die katholische Kirche seien angesichts dieses neuerlichen Dramas fest verbunden. Die im Jahr 1434 begonnene Kathedrale, die den Aposteln Peter und Paul geweiht ist, nannte er auf Twitter ein "gotisches Juwel".

Anteilnahme auch in Deutschland

Auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, zeigte sich betroffen. "Nantes und die herausragende kulturelle Tradition Frankreichs haben schweren Schaden genommen", schrieb er in einem Brief an Diözesanadministrator Renaud. "Ihre Bischofskirche ist Zeugnis der Gottesverehrung über die Jahrhunderte hinweg. Sie zeigt, wer wir als Europäer sind, was uns prägt und ausmacht."

Nun geht der Blick nach vorne. Premierminister Jean Castex versprach am Samstag bei einem Blitzbesuch in Nantes, der Staat werde alles für den Wiederaufbau des Gotteshauses tun. Dieser solle "so schnell wie möglich" beginnen. Die private Stiftung Fondation du patrimoine rief wie bereits nach dem Brand von Notre-Dame zu Spenden auf.

Statik scheint intakt

Die Statik der Sankt Peter-und-Pauls-Kathedrale, die mit rund 38 Metern eines der höchsten Kirchengewölbe Frankreichs besitzt, scheint intakt geblieben zu sein. Dennoch müsse nun geprüft werden, ob die durch das Feuer verursachte Hitze zu einem Ausglühen des Gewölbes geführt habe, riet die frühere Kölner Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner. Wegen seiner Höhe sei es möglich, dass es keinen Schaden genommen habe, sagte die Koordinatorin der deutschen Hilfe für den Wiederaufbau von Notre-Dame der Katholischen Nachrichten-Agentur. (kna)