Der Syrienkrieg

Gleichgültigkeit tötet am meisten

Die Kämpfe halten an und die Flüchtlingsströme aus dem Nahen Osten reißen nicht ab. In einer Diskussion des Missionswerks Missio tauschen sich der Menschenrechtler Rupert Neudeck und ein junger Flüchtling darüber aus, wie man die aussichtslose Situation in Syrien überwinden könnte.

Menschenechtsaktivist Rupert Neudeck (links) mit Missio-Präsident Monsignore Wolfgang Huber. (Bild: Missio) © Missio

München - Seit 2011 wütet der Krieg in Syrien. Mehr als vier Millionen Syrer sind ins Ausland geflüchtet, knapp acht Millionen Menschen suchen innerhalb des Landes Zuflucht. Über 250.000 Menschen sind dem Krieg zum Opfer gefallen. Die Flüchtlingswelle, die inzwischen Europa und auch Deutschland erreicht hat, nimmt kein Ende.

Wie wird es in Syrien weiter gehen? Welche Auswirkungen hat der Krieg auf die Region? Wie kann den Menschen in Syrien geholfen werden? Diese Fragen standen vergangene Woche im Mittelpunkt der Podiumsdiskussion von missio in München. Im vollbesetzten Saal der Abtei St. Bonifaz in München diskutierten darüber Michel Constantin, der Regionaldirektor der Päpstlichen Mission in Beirut, der syrisch-katholische Priester Pater Hanna Ghoneim und Wissam Abdullah, ein junger Syrer, der 2013 Damaskus verlassen hat, gemeinsam mit dem bekannten Publizisten und Menschenrechtsaktivisten Rupert Neudeck.

„Europa war die große Hoffnung“

Neudeck lobte das bisherige deutsche Engagement in der Flüchtlingshilfe. "Kein anderer EU-Staat übertrifft unsere Hilfsbereitschaft", sagte der Mitgründer der Hilfsorganisation Cap Anamur und des Internationalen Friedenskorps Grünhelme. Darauf können wir stolz sein. Er appellierte an die Bevölkerung mit diesem Engagement fortzufahren und nicht im anfänglichen Enthusiasmus zu verharren, denn „im Alltag zeigt sich die Wahrheit einer Situation“, so Neudeck.

Neudeck bezeichnete die Syrer als "das verlassenste Volk der Welt". "Wir müssen uns um den Erhalt dieses unglaublich wertvollen Landes allergrößte Sorgen machen", mahnte er. "Europa war die große Hoffnung für die Syrer, nicht die USA oder andere arabische Staaten", so Neudeck. "Der Auftrag an Europa ist, dieses Land nicht zu vergessen" betonte der 76-Jährige weiter. Er hält die Terroristen des Islamischen Staat (IS) für "schwächer als man annimmt". "Die Terrororganisation muss sich durch äußerste Brutalität beweisen und das ist ein Zeichen von Schwäche", argumentierte Neudeck. Aus sicheren Quellen weiß er, dass sich viele Anhänger des Islamischen Staat vom IS lösen wollen, was ihnen aber wegen des totalitären Systems nicht gelingt.

Als Christen, die immer auch Pazifisten sind, müssen wir der internationalen Politik, die Bemühungen den Konflikt in Syrien ohne Krieg zu beenden, hoch anrechnen, vor allem wenn wir wissen, dass dieses „letzte Mittel“ in der Diplomatie früher ganz selbstverständlich angewandt wurde“, erklärt Neudeck. Einen sinnvollen Ansatz zur Konfliktlösung in Syrien sieht Neudeck derzeit darin den Sicherheitsrat anzurufen um zu einer UNO-Resulution zu kommen, die dazu führt, dass beispielsweise Hilfskorridore in Syrien eingerichtet werden. Einen militärischen Eingriff von außen hält Neudeck für nicht sinnvoll. Dieser würde seiner Ansicht nach den Krieg in Syrien nicht kurzfristig beenden können.

Nicht nur auf finanzielle Hilfe setzen

Der syrisch-katholische Priester Pater Hanna Ghoneim schilderte das Leid der Syrer, die im Land geblieben sind. Es fehlt an allem: an Lebensmitteln, Kleidung, Medikamenten. Die gesamte Infrastruktur ist fast vollständig zum Erliegen gekommen. Schulen und Krankenhäuser sind größtenteils zerstört. Trotz allem ist es wichtig, dass die Christen das Land nicht verlassen, erklärt Ghoneim. Unsere Aufgabe ist es, sie dabei zu unterstützen, so der Geistliche weiter. Neben finanzieller brauchen die Menschen moralische und spirituelle Unterstützung, erklärt er. "Wir Christen müssen aktiv sein und dürfen nicht nur zusehen. Am meisten tötet uns die Gleichgültigkeit", betonte Ghoneim. Der Priester setzt auf Hilfe vor Ort. Er organisiert Hilfslieferungen aus Deutschland und Österreich in seine Heimat und versucht Schulen und Infrastruktur wieder aufzubauen.

Zukunft im Dialog

Für den jungen Syrer und Christen Wissam Abdullah, der seit 2013 in Deutschland lebt, dessen Familie aber noch in Damaskus ist, sind die radikalen Terroristen das größte Problem. Der Krieg in seiner Heimat kann nur dann beendet werden, wenn sich alle Seiten an einen Tisch setzten und zusammenarbeiten, erklärt Abdullah. "Wir sollten unsere Konfessionen vergessen und über die gemeinsame Zukunft sprechen", sagt er.

Nachhaltige Hilfe für Flüchtlinge

Der Regionaldirektor der päpstlichen Mission im Libanon, Michel Constantin berichtete über die dortige Flüchtlingssituation. Mehr als 1,5 Millionen Syrer sind ins Nachbarland geflohen und sind dort aufgenommen. "Auch wenn der Krieg morgen zu Ende wäre, würde eine Rückkehr der Flüchtlinge erst in vielen Jahren möglich sein", befürchtet Constantin.

Missio-Präsident Monsignore Wolfgang Huber berichtete von seiner Reise in den Libanon, bei der er im März gemeinsam mit Bayerns Europaministerin Beate Merk Flüchtlingslager besuchte. Er appellierte an die Besucherinnen und Besucher der Podiumsdiskussion die Menschen aus Syrien auf ihrer Flucht und die, die in der Heimat geblieben sind, nicht allein zu lassen, denn "Zuwendung zu den Menschen in Not ist ein zentraler christlicher Wert", sagte er. (dk/mf)