Als Katholik in der DDR

Glaube statt Karriere

Mit der deutschen Einheit hatten Schikanen gegen Gläubige in der DDR endgültig ein Ende. Michael Josefczak ist seiner Kirche treu geblieben: „Ich habe mir immer gesagt: Etwas Großes steht auf dem Spiel, wenn ich meinen Glauben nicht bekenne."

 

Das Kuppeldach der St.-Hedwigs-Kathedrale in Berlin - nachdem die Kirche 1943 durch einen Bombenangriff der Alliierten fast vollständig ausgebrannt war, wurde sie zu DDR-Zeiten wieder aufgebaut. Heute ist sie der wichtigste katholische Sakralbau der Stadt. (Bild: imago/Steinach) © imago/Steinach

München – Am 3. Oktober zündet Michael Josefczak in seiner Pfarrkirche Maria Schutz eine Kerze an und dankt Gott. Das ist seine Art, den Tag der Deutschen Einheit zu feiern. Niemand wird ihm dafür einen Eintrag in seine Stasi-Akte schreiben, seine Familie und er brauchen dafür keine Nachteile zu fürchten. Der ehemalige Lokführer aus München-Pasing kennt es auch anders. 1992 ist er nach Bayern gekommen, weil er hier nach der Wende Arbeit gefunden hat. Er ist als praktizierender Katholik in der DDR groß geworden und hat dort gelebt. Er war in keiner Partei-Organisation außer der „Deutsch-Sowjetischen Freundschaft“. „Wenn da einer aus dem Betrieb nicht dazu ging, hat die ganze Abteilung keine Jahres-Endprämie bekommen“, erzählt der 64-Jährige.

Jahresendprämie statt Weihnachtsgeld

Das wollte er seinen Kollegen nicht zumuten. Jahres-Endprämie, so nannten die Funktionäre das Weihnachtsgeld, um ja keinen christlichen Begriff benutzen zu müssen. Michael Josefczak benutzte nicht nur christliche Begriffe, sondern ging auch noch jeden Sonntag in die Messe und war in seiner Cottbuser Pfarrei aktiv. Davon schwärmt er noch heute: Wie das kleine katholische Häuflein eigenhändig mit der Schubkarre Beton gefahren, Steine geschleppt und die Kirchenrenovierung fast ganz allein geschafft hat. Beim Feierabendbier ging es dann nicht nur darum, wie das knappe Material beschafft wird, sondern „wir haben uns da auch über unseren Glauben, über Grenzerfahrungen unterhalten.“ Die Gläubigen hatten auch selbständig einen Besuchsdienst für die Kranken in der Pfarrei eingerichtet. Dass offenbar auch informelle Mitarbeiter der Staatssicherheit eingeschleust waren, die sich nach der Wende auffällig zurückzogen, nimmt Michael Josefczak nichts von diesen guten Erinnerungen. Dieser Zusammenhalt fehlt ihm etwas in seiner Münchner Pfarrei: „Man kennt sich hier nicht.“ Dennoch war der DDR-Katholizismus keine Idylle, wenn es auch keine so brutale Unterdrückung wie im Nachbarland Tschechoslowakei gab: „Da habe ich einen Priester gekannt, der einfach für zwölf Jahre ins Gefängnis gesteckt wurde, weil er sich um die Gläubigen gekümmert hat und auf Distanz zur Staatsmacht gegangen ist.“ In Cottbus musste sich Michael Josefczak nur von Lehrern und Vorgesetzten bloßstellen und auslachen lassen, weil er die Überlegenheit der materialistischen Weltanschauung nicht verstehen wollte und einfach nicht kapierte, „dass der Mensch bloß vom Affen abstammt, weil es ja keinen Gott gibt“. Für seine Überzeugung hat er auch mit beruflichen Nachteilen bezahlt: ein Studium hat ihm das Regime verweigert. Er hat Schlosser gelernt und ging dann zur Reichsbahn. Mit kleinen, alltäglichen Schikanen: Seine Vorgesetzten blockierten die Eingruppierung in eine höhere Lohngruppe und gaben ihm keine geregelten Schichten: „Man konnte als Katholik unter Honecker zwar in Ruhe leben, aber dafür nicht einmal einen Meister machen“, fasst Josefczak sein Berufsleben zusammen.

Religiöse Toleranz in engen Grenzen

Evangelische Christen hätten es wegen der größeren Staatsnähe ihrer Kirche leichter gehabt und manchmal habe er da auch die Solidarität vermisst: „Unter Ökumene hätte ich mir da etwas anderes vorgestellt.“ Aber immerhin habe die Evangelische Kirche auch für eine „gewisse religiöse Toleranz gesorgt“. Unter Druck standen die Gläubigen dennoch. Es gab viele Katholiken, die aus Karrieregründen, wenn auch schweren Herzens, ihrer Kirche den Rücken gekehrt haben. Für Michael Josefczak kam das nicht in Frage: „Ich habe mir immer gesagt: Etwas Großes steht auf dem Spiel, wenn ich meinen Glauben nicht bekenne. Der ist doch wesentlich mehr wert als eine Karriere.“ Das Ende der DDR hat er aktiv erlebt. Für ihn ist klar, dass Gott damals in die Geschichte eingegriffen hat: „Ich glaube wichtiger als die Demonstrationen auf der Straße, waren die Gebete in den Kirchen.“ In seiner Pfarrei versammelten sich im November 1989 Katholiken, evangelische Christen und sogar Ungläubige. Noch heute läuft ihm ein Schauder über den Rücken, wenn er daran denkt, an den Händen fassten und gemeinsam das Vaterunser beteten.: „Ich habe gewusst, da ist der Tabernakel und Jesus Christus ist gegenwärtig.“ Die Stasi-Beamten standen verdruckst herum, aber auch sie spürten, dass ein neuer Geist über das Land gekommen war. Daran waren auch Menschen wie Michael Josefczak beteiligt, die sich dem Regime nicht anpassten und dafür sogar auf ihre Karriere verzichtet haben: „Aber die Verbindung zu Gott zu halten, das entschädigt für alles“, sagt der Rentner heute. Dankbar und ohne Verbitterung. (alb/ph)