Der Heilige Antonius von Padua

Gescheiterter Missionar, gefeierter Wanderprediger

Am 13. Juni ist der Gedenktag des beliebten Heiligen. Hinter den rührigen Heiligenbildern mit dem Jesuskind steht eine interessante Lebensgeschichte von einem, der mehr von einem glaubwürdigen Leben hielt als von frommen Reden.

Das Jesuskind soll dem Heiligen Antonius erschienen sein. © SMB

Gemütlich in einem Nussbaum sitzend, soll er gepredigt haben - dort in der Nähe von Padua, wo heute noch das Kirchlein Sant´ Antonio di Noce steht. Ein andermal, an der Adria-Küste von Rimini, hat ihm angeblich eine große Schar von Fischen zugehört, in Reih und Glied geordnet und mit geöffnetem Maul Gott lobend. Und dann das Wunder mit dem Jesuskind, das ihm plötzlich aus dem Evangelienbuch entgegenlachte! In zahllosen Dorfkapellen und Kathedralen ist Antonius verewigt, wie er den kleinen Jesus zärtlich auf dem Arm schaukelt. Die Wundergeschichten über den Santo, den Heiligen, wie ihn die Italiener nennen, sind Legion. Jeder liebt ihn irgendwie - doch kaum einer weiß etwas von ihm.

Vom Missionar zum Wanderprediger

Das beginnt schon beim Namen: Antonius von Padua war kein Italiener, sondern Portugiese und kam erst kurz vor seinem Tod nach Padua. In Lissabon wurde er 1195 als Sohn vornehmer Eltern geboren. Bei den Augustiner-Chorherren erhielt er eine gute theologische Ausbildung, wechselte aber dann zu den armen Franziskanern, die damals gerade als Reformbewegung in einer satt und müde gewordenen Kirche emporwuchsen.

Der mit großer Leidenschaft unternommene Versuch, die Sarazenen zu missionieren, misslang kläglich; Antonius wurde im heißen Klima Afrikas sterbenskrank, und auf der Rückfahrt trieb sein Schiff bis nach Sizilien ab. Kleinlaut verkroch er sich dort in einer franziskanischen Einsiedelei, bis man mehr durch Zufall sein Redetalent entdeckte und Antonius zum Wanderprediger machte.

Einfache Sprache

Wo er hinkam, liefen die Männer aus ihren Werkstätten und die Frauen aus der Küche; die Kirchen waren im Nu so überfüllt, dass Antonius oft genug unter freiem Himmel predigte. Es wird berichtet, die Menschen waren von seinen Worten so getroffen, dass erbitterte Feinde sich noch an Ort und Stelle versöhnten, Huren und Taschendiebe ihr Gewerbe aufgaben und Wucherer schluchzend ihren Profit zurückzahlten.

Er muss vom Inhalt her sehr schlicht und volkstümlich, im Stil plastisch, manchmal mit sarkastischer Ironie geredet haben. Geizhälse verglich er mit Mistkäfern, Karrieresüchtige mit Hunden, die nach einem Knochen schnappen. Seine Sozialkritik klingt massiv: Er tadelt die Fixierung der Reichen auf ihr „dreckiges Geld“ und ihre Gleichgültigkeit gegenüber den „Armen Christi“.

Die Gegner überzeugen, nicht einschüchtern

Er scheut sich auch nicht, die machtverliebte, arrogante Prälatenkirche zu brandmarken: Verfehle sich ein Bischof gegen eine päpstliche Anordnung, erfolge sogleich eine Vorladung und schlimmstenfalls die Absetzung. „Hat er sich aber gegen Christi Evangelium, das wir doch an erster Stelle befolgen müssten, schwer verfehlt, dann ist keiner da, der ihn anklagt, keiner, der ihn tadelt, denn alle suchen ihren Vorteil, nicht die Sache Christi!“

Deshalb war Antonius auch als „Ketzerprediger“ in Frankreich und Oberitalien so erfolgreich, obwohl er auf die bewährten Instrumente von Einschüchterung und Terror verzichtete und die Exponenten der populären Armutsbewegung weder auf den Scheiterhaufen noch ins Gefängnis schickte. Aber weil er die den Luxus der kirchlichen Hierarchie kritisierenden Abweichler nicht aus der sicheren Position eines Kurienbeamten heraus bekämpfte, sondern als armer Wanderprediger von Stadt zu Stadt zog, weil er ihre Ideale teilte, ohne Papst und Bischöfen die Gemeinschaft aufzukündigen, glaubten ihm die Leute, was er sagte.

Der „Ketzerhammer“, wie man ihn bewundernd nannte, verwirklichte selbst am besten, was er seinen Schülern in einem Predigtentwurf riet: „Unser Leben ist ja so voll von schönen Worten und leer an guten Werken. (...) Ich beschwöre euch daher, lasst doch euren Mund verstummen und eure Taten sprechen!“

Wirkt bis heute

Seinem Ordensvater Franziskus erschien dieser schlichte Predigermönch so vertrauenswürdig, dass er seine alte Reserve gegenüber der akademischen Theologie aufgab - Franziskus hatte großen Respekt vor den Gelehrten, fürchtete aber wohl nicht ohne Grund, Studium und wissenschaftliche Reputation könnten die Mönche zur Überheblichkeit verführen - und Antonius bat, die Mitbrüder in Schriftauslegung und Predigt zu unterweisen. In Arles, Toulouse und Montpellier hat er gelehrt, in Bologna und Padua, eine sehr geistliche, spirituelle Theologie, für die Praxis gedacht und im Evangelium verankert.

Als er in Padua ankam, war der erst fünfunddreißigjährige Antonius bereits krank und verbraucht. Seine Fastenpredigten, jeden Tag auf einem von Menschen überfüllten Platz gehalten, verwandelten noch einmal das Leben einer ganzen Stadt. Heute noch ist die damals vorgenommene Reform des Codice statuario repubblicano di Padova in Kraft: Säumige Schuldner dürfen zwar gepfändet, aber nicht eingesperrt werden.

Am 13. Juni 1231 ist Antonius gestorben. Ein knappes Jahr später wurde er bereits heiliggesprochen. Und dann türmte man eine Basilika von zyklopischen Ausmaßen über seinem Grab auf - eine gigantische Kirchenburg, wie sie auch in Assisi die Gebeine des armen Franziskus zudeckt.
(Christian Feldmann, freier Journalist, Rundfunkautor und Theologe)