60 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil

Fundament für die heutige Kirche

Vor 60 Jahren, am 11. Oktober 1962, eröffnete Papst Johannes XXIII. das Zweite Vatikanische Konzil. Heute ein Fall für die Archive oder weiter von Bedeutung für die Kirche? Eine Einschätzung des Kirchenhistorikers Franz Xaver Bischof, Prof. em. der LMU.

Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils am 11. Oktober 1962. © gemeinfrei

mk online: Welche Bedeutung hat das Konzil heute?

Franz Xaver Bischof: Generell gilt, dass die katholische Kirche als Ganze auf dem Fundament des Zweiten Vatikanischen Konzils steht. Unser ganzes heutiges religiöses, kirchliches Leben ist vom Paradigmenwechsel und vom Modernisierungsschub dieses Konzils geprägt: angefangen bei der Eucharistiefeier, über die Mitarbeit von Laien im Kirchendienst, bis zur Ausbildung des kirchlichen Nachwuchses an der Universität.

Geht die Umsetzung der Beschlüsse des Konzils noch weiter?

Bischof: Die Rezeption des Konzils ist – und das sage ich bewusst als Kirchenhistoriker – nicht abgeschlossen. Die katholische Kirche muss viel mehr immer mehr zu einer Kirche des Zweiten Vatikanums werden. Dabei hat jede Generation das Erbe des Konzils natürlich unter den Rahmenbedingungen ihrer jeweiligen Zeit und ihre jeweiligen Herausforderungen neu zu bedenken. Es gilt, die Zeichen der Zeit zu erkennen und immer neu nach der Rolle und den Aufgaben der Kirche in einer Welt zu fragen, die von uns Antworten auf immer neue Anfragen und Herausforderungen verlangt.

Wie würden Sie den Synodalen Weg hier einordnen?

Bischof: Genau das will vor dem Hintergrund der Missbrauchsskandale und der Glaubwürdigkeitskrise der Kirche auch der Synodale Weg in Deutschland. Und genau das will der von Papst Franziskus initiierte weltweite synodale Prozess.

Sehen Sie diese beiden Initiativen in direkten Zusammenhang mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil?

Bischof: Beides, Synodaler Weg und synodaler Prozess, stehen untrennbar in sachlicher und theologischer Verknüpfung, ja Verzahnung und Fortschreibung des Konzils. Alle bisher vom Synodalen Weg beschlossenen Texte basieren auf der Lehre dieses Konzils. Auch über Jahrzehnte verschleppte Reformforderungen in den Bereichen, beispielsweise der kirchlichen Sexualmoral oder der Frage der Frau in der Kirche, stimmen mit der Lehre des Konzils überein, müssen freilich im Lichte der heutigen Zeit ihre Antworten finden.

Und auf der Ebene der Weltkirche?

Bischof: Das gilt selbstverständlich auch für die so genannte Weltkirche. Papst Franziskus selbst hat 2015 dafür plädiert, dass die Kirche des dritten Jahrtausends eine synodale Kirche werden muss – und er sagt das als nicht-europäischer Papst, was dieser Aussage ein besonderes Gewicht verleiht. Er hebt die Unablässigkeit des Aggiornamento – so wörtlich der Papst – seit seinem Amtsantritt immer wieder hervor. Letztlich geht es heute wie vor 60 Jahren auf dem Konzil doch darum, das Evangelium in einer zeitaktuellen Weise zu verkündigen.

Ist das Konzil also lebendiger denn je?

Bischof: Ja, das kann man sagen, das ist mit diesem neuen Papst auf eine ganz neue Weise reaktiviert worden.

Die Autorin
Gabriele Hafner
Radio-Redaktion
g.hafner@michaelsbund.de