Priester und Zölibat

Für die Familie und gegen die Enthaltsamkeit

Priesteramtskandidaten müssen sich vor ihrer Weihe damit auseinandersetzten, auf ewig ein zölibatäres Leben zu leben. Roland Gruber hat sich lange damit befasst. Am Ende kam doch alles anders als erwartet.

Roland Gruber © privat

Roland Gruber wirkt versöhnt mit diesem Lebensabschnitt, als er über die wohl größte Entscheidung seines Lebens spricht. Alles fing damit an, dass er mit Anfang 20 erstmals überlegt hatte, katholischer Priester zu werden. Jedoch entschied sich Gruber zunächst für eine kaufmännische Ausbildung und ein Betriebswirtschaftsstudium. "Ich habe dann aber irgendwann gemerkt, dass das BWLer-Leben nicht meins ist. Aber was ist es dann? Ich kam hier wieder an den Punkt, wo mich das Priestertum nicht ganz losgelassen hat", erzählt Roland Gruber. Mit 27 Jahren änderte er seine Meinung; er trat doch ins Priesterseminar ein und begann ein Theologiestudium.

Der Weg zum Priestertum

Mit dem Theologiestudium habe sich der Freundeskreis, der Alltag und sein Leben stark verändert. Was jedoch gleich blieb, war die große Frage nach der ewigen Enthaltsamkeit, die Roland Gruber wiederkehrend umtrieb. "Viele von meinen engen Freunden haben auch gesagt: Das können wir uns bei dir nicht vorstellen, dass du als zölibatärer Priester lebst. Das bist nicht du", erzählt er. Das habe ihn schon beschäftigt, schlussendlich sei ihm aber wichtig gewesen, es auszuprobieren, um es selbst herauszufinden. Vier Jahre lang setzt sich Roland Gruber mit den Themen Enthaltsamkeit, Sexualität, Nähe und Partnerschaft auseinander. "Es ist schon passiert, dass ich mich im Grundstudium auch mal verliebt habe. Ich habe mich dann stets gefragt: Ist das Priestertum wirklich mein Weg?", berichtet Gruber. "Zu diesem Zeitpunkt fiel die Entscheidung aber immer für den Weg zum Priester und zwar nicht, weil ich der geborene Theologe bin, vom wissenschaftlichen her, sondern weil ich Seelsorger werden wollte und das ganz und gar."

Eine Rückkehr mit neuem Entschluss

Roland Gruber betont, man befasse sich im Theologiestudium oft mit dem Thema Zölibat, das sei auch vom Priesterseminar erwünscht und wird unterstützt. Zahlreiche Gespräche mit Priestern und Freunden oder Gleichgesinnten hätten ihn in dieser Zeit stark geprägt. Kurz vor dem Vordiplom entschied sich der Theologiestudent zu einem sogenannten Freijahr. Für einige Monate arbeitete er ehrenamtlich an Projekten in Asien. Als der damals 30-Jährige zurückkam, hatte sich seine Meinung zum Thema Zölibat verändert. "Dann kam die Phase, in der ich für mich gemerkt habe: Nein, der Wunsch nach Beziehung, Sexualität und Familienleben ist stärker, als der, ein zölibatäres Leben zu leben," erinnert sich Gruber zurück.

Für die Sexualität, Partnerschaft und Familie

Nach langem Ringen und zahlreichen Gesprächen sei für sich zu einem Entschluss gekommen: Das Priestertum ist der falsche Weg. Ausschlaggebend sei keine konkrete Person gewesen, sondern vielmehr die Hürde des Zölibats und der Wunsch nach Familienleben, Sexualität und Partnerschaft. Denn "Sexualität nehme ich als etwas Lustvolles und von Gott Gegebenes war, das dem Menschen guttut. Ich bin nicht sexuell unerfahren ins Priesterseminar eingetreten und wusste, auf was ich verzichten muss", sagt Roland Gruber.

Zölibat als freiwillige Lebensform

Heute ist der 47-Jährige verheiratet, hat zwei Kinder und ist froh über seinen Weg und die Entscheidung. Er stellt die Vermutung auf: "Ich denke an der Frage nach lebenslanger Enthaltsamkeit wäre ich womöglich irgendwann als Priester zerbrochen." Darum bereue er diesen Schritt bis heute nicht. Seine Meinung zum Thema Zölibat ist durch seinen Werdegang eindeutig: "Das ist eine Lebensform, die kann funktionieren, aber sie stößt dann an ihre Grenzen, wenn Menschen, in dem Fall Priester, in ihrer Existenz an dieser Frage zerbrechen." Das tue Kirche nicht gut und den betroffenen Menschen erst recht nicht. Wer zölibatär leben wolle, solle das tun, er würde das Zölibat jedoch nicht verpflichtend machen. Der Kirche hatte er damals trotzdem nicht den Rücken zugewandt, denn statt Priester wurde Roland Gruber Pastoralreferent. Auf diesem Weg kann er mit Familie, Frau und aktiver Sexualität seiner Berufung in der Seelsorge nachkommen, weshalb er heute womöglich so versöhnlich auf seinen Lebensabschnitt mit dem Priestertum blickt. (Anna Parschan)

Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Priester Kirche und Sexualität