Erzbistum Köln

Früherer "Sternsinger"-Präsident Pilz unter Missbrauchsverdacht

Der 2019 gestorbene Ex-Präsident des Kindermissionswerks "Die Sternsinger", Winfried Pilz, steht unter Verdacht des sexuellen Missbrauchs. Aktuell erfolgen an allen ehemaligen Einsatzorten des Priesters Aufrufe an mögliche und bisher unbekannte Betroffene.

2021 ergaben sich laut Erzbistum Hinweise auf mögliche weitere Betroffene. Die mutmaßlichen Taten sollen sich Ende der 1980er Jahre zugetragen haben. © Harald Oppitz/KNA

In einer Mitteilung hat das Erzbistum Köln mögliche und bisher unbekannte Missbrauchsbetroffene dazu aufgerufen, sich zu melden. Bereits 2012 sei Winfried Pilz beschuldigt worden, einen "schutzbedürftigen Erwachsenen" in den 1970er Jahren missbraucht zu haben. Im vergangenen Jahr hätten sich Hinweise auf mögliche weitere Betroffene ergeben.

Pilz leitete von 2000 bis 2010 das in Aachen ansässige Kindermissionswerk, das immer zum Jahreswechsel die bundesweit bekannte Sternsingeraktion durchführt. Von 1972 bis 1989 arbeitete der Autor zahlreicher geistlicher Lieder als Diözesanjugendseelsorger und Rektor der Jugendbildungsstätte Haus Altenberg in Odenthal bei Köln.

Geldstrafe auf Anordnung Kardinal Meisners

Im Jahr 2012 hatte sich eine Person mit Vorwürfen gegen Pilz beim Erzbistum gemeldet, wie es hieß. Man habe bei der Untersuchung aufgrund fehlender Erinnerung der betroffenen Person nicht abschließend klären können, ob sie zum Tatzeitpunkt das 18. Lebensjahr bereits vollendet habe. "Da die Person aber im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses für P. tätig war, handelte es sich in jedem Falle um einen schutzbedürftigen Erwachsenen", so die Erzdiözese.

Den Angaben zufolge erteilte 2014 der damalige Kölner Erzbischof Joachim Meisner Pilz einen Verweis, legte ihm eine Geldstrafe auf und verbot dem damals schon im Ruhestand lebenden Geistlichen den Kontakt zu Minderjährigen. 2018 sei der Fall der Staatsanwaltschaft nachgemeldet worden, die wegen Verjährung keine Ermittlungen aufgenommen habe. Der Fall wird auch im Missbrauchsgutachten der Kanzlei Gercke Wollschläger für das Erzbistum Köln behandelt. Danach hatte der als Sekretär für Pilz tätige Betroffene zum Zeitpunkt des sexuellen Kontakts das 18. Lebensjahr vollendet. Pilz habe darauf verwiesen, dass der Sex einvernehmlich stattgefunden habe.

Pilz war an vielen Orten tätig 

2021 ergaben sich laut Erzbistum Hinweise auf mögliche weitere Betroffene. Die mutmaßlichen Taten sollen sich Ende der 1980er Jahre zugetragen haben. Die Recherchen dazu hätten sich als sehr komplex erwiesen, da der Geistliche 2019 bereits gestorben war und seine Tätigkeit sich weit über das Erzbistum Köln hinaus erstreckte. Nun erfolgten vom 2. bis 10. Juli an allen ehemaligen Einsatzorten des Priesters Aufrufe an mögliche und bisher unbekannte Betroffene. Das Erzbistum sehe sich gegenüber den Betroffenen von sexualisierter Gewalt in der Pflicht, den Sachverhalt möglichst umfänglich zu klären.

Dem Aufruf schloss sich am Donnerstag das Bistum Dresden-Meißen an, wo Pilz als Ruhestandsgeistlicher seit 2010 bis zu seinem Tod lebte und wirkte. Auf Anfrage erklärte das Bistum, in der zweiten Juni-Hälfte 2022 erstmalig vom Erzbistum Köln über Vorwürfe gegen Pilz informiert worden zu sein. Bislang seien keine Verdachtsmomente aus dem Bistum Dresden-Meißen bekannt.

Sternsinger "tief betroffen"

Das Kindermissionswerk, das den Aufruf ebenfalls verbreitete, zeigte sich "tief betroffen": "Uns macht diese Tat fassungslos, traurig und wütend zugleich", erklärte das Werk am Mittwochabend. Es sei im September 2021 vom Erzbistum Köln über den Fall in Kenntnis gesetzt worden und habe sich dort daraufhin für einen zeitnahen Aufruf eingesetzt, um mögliche weitere Betroffene zu finden. Das Erzbistum habe die Veröffentlichung für den Sommer 2022 terminiert, nachdem die Recherchen nach den Hinweisen aus dem Jahr 2021 abgeschlossen worden seien.

Pilz war als Kaplan von 1966 bis 1971 in Euskirchen und von 1971 bis 1972 in Bonn tätig, hier auch als Stadtjugendseelsorger. Von 1972 bis 1989 arbeitete er als Diözesanjugendseelsorger und im Haus Altenberg. Von 1977 bis 1983 war er als Referent im Jugendhaus Düsseldorf und von 1989 bis 2000 als Pfarrer in Kaarst tätig, bevor er Präsident des Kindermissionswerkes wurde. Von 2010 bis 2012 war er Seelsorger in Prag. Seinen Ruhestand verbrachte er danach in Leutersdorf in der Oberlausitz. (kna)