Fotoausstellung „MÜNCHEN. Schau her!“

Fotos erzählen Münchner Geschichte(n)

Wer durch die Ausstellung spaziert, erlebt eine spannende Zeitreise. Kleine und große Ereignisse sind von Münchner Fotografen seit Mitte des 19. Jahrhunderts festgehalten worden.

München war eines der wichtigsten Zentren für die Entwicklung und Verbreitung der Fotografie im 19. Jahrhundert. © IRINA - stock.adobe.com

München – Immer schon sagen Bilder mehr als tausend Worte. Das geht auch jedem Besucher und jeder Besucherin in der aktuellen Ausstellung der Bayerischen Staatsbibliothek so, denn hier laden 250 historische Aufnahmen von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1970er Jahre auf eine spannende Zeitreise durch München und Umgebung ein. Die außergewöhnlichen Fotos stammen von bekannten Münchner Fotografen und werfen ein erhellendes Licht auf große wie kleine Ereignisse der Münchner Geschichte.

Raritäten zu sehen

Diese Ausstellung stellt zum ersten Mal die umfangreichen Fotoarchive der Bayerischen Staatsbibliothek vor und ist in sechs Themenkomplexe gegliedert. Das erste Kapitel „Frühe Fotografie 1839 bis 1914“ präsentiert in den beiden Schatzkammern Originalaufnahmen und erläutert die Fototechnik. Denn München und seine Künstler und Wissenschaftler waren neben Paris und London das wichtigste Zentrum für die Entwicklung und Verbreitung der Fotografie im 19. Jahrhundert. Als Raritäten kann man hier eine Aufnahme von 1863 der bayerischen Königin Marie mit ihren Söhnen Ludwig (dem späteren König Ludwig II.) und Otto vom Wittelsbacher Hoffotografen Joseph Albert sehen, ein frühes Porträt des Komponisten und Pianisten Franz Liszt (um 1860) oder die Alte Hauptsynagoge am Lenbachplatz, die 1938 als eine der ersten Synagogen in Deutschland von den Nazis zerstört wurde.

Berühmtes Bild von Kurt Eisner

Natürlich darf auch ein Foto des berühmten Fotoateliers „Elvira“ nicht fehlen, dessen bizarre Jugendstil-Fassade spöttisch als „Drachenburg“ oder „Chinesische Botschaft“ bezeichnet wurde. Oder auch die über 80 Farbabbildungen bayerischer Städte, die 1918/19 als zweibändiges Buch von Heimatschriftsteller Ludwig Ganghofer herausgegeben wurden. Ein historisches Dokument ist auch das Foto zur Feier des 25-jährigen Jubiläums des Observatoriums auf der Zugspitze, das seit 1900 fast ohne Unterbrechung täglich und rund um die Uhr Wettermeldungen erstellt.

Fotos vom Ausbruch des Ersten Weltkriegs, die Wirren der Revolution von 1918/19 (ein berühmtes Foto zeigt den bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner auf dem Weg zum Landtag, kurz bevor er erschossen wurde), vom Aufstieg der NSDAP in München und dessen Folgen (wie die Bücherverbrennung, die Grundsteinlegung zum Haus der Kunst oder Tarnnetze über der Prinzregentenstraße), die größtenteils aus dem Fotoarchiv von Heinrich Hoffmann stammen, dem persönlichen Fotograf Adolf Hitlers, dokumentieren die Geschehnisse in München zwischen 1914 und 1945.

„MÜNCHEN. SCHAU her!“ stellt zum ersten Mal die umfangreichen Fotoarchive der Bayerischen Staatsbibliothek vor. 270 historische Aufnahmen von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1970er
Jahre laden bis Ende Juli zu einer spannenden Zeitreise durch München und Umgebung ein.

Die Bilder der zerstörten Stadt, von Kriegsheimkehrern, provisorischen Verkaufsständen zwischen den Trümmerbergen oder des florierenden Schwarzmarkts kennzeichnen die Erinnerung an die Nachkriegszeit. Legendär ist etwa die Schutträumaktion „Rama dama“, bei der deren Initiator, der Münchner OB Thomas Wimmer, selbst mit anpackte und für die die amerikanische Zivilverwaltung Bagger, Lastwagen und technisches Material zur Verfügung stellte. Ein Foto von damals zeigt das Traditionsgasthaus „Donisl“ noch in eine Baulücke eingezwängt, aber mit seiner Öffnungszeit „ab 5 Uhr früh“ ein deutliches Symbol der langsamen Normalisierung der Nachkriegsjahre.

Kulturelles Leben in München dokumentiert

Von 1950 bis 2003 dokumentierte dann vor allem die Münchner Gesellschafts-Fotografin Felicitas Timpe das kulturelle Leben der bayerischen Landeshauptstadt. Ihr Archiv umfasst etwa eine Million Bilder: Erich Kästners „Das doppelte Lottchen“ als Film im Filmtheater Sendlinger Tor (1950), die berühmte Schauspielerin Therese Giehse in den Kammerspielen in Dürrenmatts Drama „Der Besuch der alten Dame“, die Wiedereröffnung der Alten Pinakothek am 7. Juli 1957, ein Konzert der Rolling Stones 1965 im Circus Krone oder die Ankunft der Beatles im Hotel Bayerischer Hof (1966), Porträts von Carl Orff, Rainer Werner Fassbinder oder Rudolph Moshammer – dies ist die „bunteste“ Abteilung der Ausstellung.

Fronleichnam: Erste Großveranstaltung nach dem Zweiten Weltkrieg

Die opulente Schau erzählt aber auch vom kirchlichen Leben in München, mit Aufnahmen, die man so noch nie gesehen hat: Eines zeigt den Erzbischof von München und Freising, Kardinal Michal von Faulhaber, mit Bergführern bei der Eröffnung der Bayerischen Zugspitzbahn am 8. Juli 1930, ein anderes die Ruine der 1944 zerstörten Kirche St. Michael und das eingestürzte Tonnengewölbe, das zweite freitragende Gewölbe der Welt. Auf einem Foto von 1952 spricht der Straßenprediger Johannes Leppich vor der zerstörten Kirche St. Wolfgang zu einer großen Menschenmenge; der Jesuitenpater wurde wegen seiner beißenden Gesellschaftskritik auch „Maschinengewehr Gottes“ genannt. Auf einem anderen Foto aus der gleichen Zeit stehen fromme Gläubige mit betend gefalteten Händen am Straßenrand, um die Fronleichnamsprozession zu sehen. Diese war in München die erste von der amerikanischen Militärregierung genehmigte Großveranstaltung nach dem Zweiten Weltkrieg.

Mit solchen Fotos zu den Themen Brauchtum und Fortschritt endet dann auch die höchst sehenswerte Ausstellung. Dazu gehören der legendäre Münchner Fasching, das Oktoberfest, die 800-Jahr-Feier der Stadt 1958, Trachtenumzüge oder Floßfahrten auf der Isar genauso wie die Ankunft der ersten Gastarbeiter aus Italien und der Türkei, die Studentenproteste 1968 und schließlich die Olympischen Spiele 1972. Allerdings machen alle gezeigten Fotos nicht mal ein Prozent des Gesamtbestands aus. Dies allein gibt schon eine Vorstellung davon, welche riesigen historischen Schätze die Fotosammlungen der Bayerischen Staatsbibliothek noch bergen. (Karl Honorat Prestele)