Jahrestag der Novemberpogrome

Forderungen nach Schoah-Gedenktag am 9. November

Der 9. November steht in Deutschland für drei einschneidende Daten. Die Ausrufung der Republik, der Mauerfall und die Pogrome. Allen drei an einem Tag zu gedenken, sieht der Zentralrat der Juden kritisch.

Mit dem vom Volksmund als "Reichskristallnacht" bezeichneten Pogrom begann eine neue Phase der Verfolgung und Diskriminierung der Juden. © Sergio Yoneda - stock.adobe.com

Berlin – Der Zentralrat der Juden dringt darauf, den 9. November zu einem nationalen Gedenktag für die Opfer der Schoah zu machen. Präsident Josef Schuster äußerte am Dienstag in Berlin Skepsis gegenüber Forderungen, am 9. November mehrerer historischer Ereignisse gleichzeitig zu gedenken, wie es Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vorschlägt.

Wissen über Pogrome geht zurück

"Die Pogrome von 1938, die damals keine breiten Proteste der Bürger hervorriefen, sollten in Deutschland stets als Mahnung in Erinnerung bleiben", erklärte Schuster. Leider gehe insbesondere unter jüngeren Menschen das Wissen über die Pogrome von 1938 zurück. Ursachen und Folgen der Novemberpogrome seien aus dem allgemeinen Gedächtnis verschwunden. So sei vielen zwar bewusst, dass damals Synagogen zerstört und jüdische Geschäfte geplündert wurden. "Doch andere Fakten, etwa die Verschleppung von rund 30.000 Menschen in Konzentrationslager oder rund 1.300 Tote im Zuge der Pogromnacht, sind weitaus weniger bekannt."

Novemberprogrome


Die Novemberpogrome von 1938 waren eine vom nationalsozialistischen Regime organisierte und gelenkte Zerstörung von Einrichtungen jüdischer Bürger im gesamten Deutschen Reich.

Am Abend des 9. November 1938 vollzog sich unter dem NS-Regime in Deutschland der bis dahin größte Judenpogrom der Neuzeit in Mitteleuropa. Mehr als 1.300 Menschen starben; mehr als 1.400 Synagogen und Beträume im gesamten Deutschen Reich wurden verwüstet und etwa 7.500 Geschäfte geplündert. Über 30.000 männliche Juden wurden in Konzentrationslager gebracht.

Der Zentralratspräsident betonte zugleich, dass kaum ein Datum in Deutschland so geschichtsträchtig sei wie der 9. November. Auch für die jüdische Gemeinschaft sei der Tag des Mauerfalls von 1989 ein glückliches Ereignis. "Denn durch die deutsche Einheit konnten die jüdischen Gemeinden in den neuen Bundesländern revitalisiert werden und es kam zur Zuwanderung von Juden aus der ehemaligen Sowjetunion."

Auschwitz Komitee fordert Gedenktag

Auch das Internationale Auschwitz Komitee spricht sich für einen Tag des Gedenkens am 9. November aus. "Überlebende des Holocaust teilen natürlich die Freude über den Fall der Mauer am 9. November 1989, aber diese Freude löst die Erinnerungen an den 9. November 1938 nicht ab", sagte Christoph Heubner, Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag).

Seit dieser Nacht seien Juden in Deutschland "endgültig vogelfrei" gewesen, so Heubner. "Hass und Gewalt der Nazis und die Gleichgültigkeit ihrer Nachbarn trieben sie bis nach Auschwitz und in die Gaskammern." Der 9. November erinnere daran, dass die Demokratie an der Gleichgültigkeit ihrer Bürgerinnen und Bürger zerbrechen könne. "Deshalb sollte der 9. November auch ein offizieller Tag des Gedenkens werden", sagte Heubner. "Schmerz und Glück gehören in Deutschland gerade an diesem Tag für immer zusammen."

9. November - drei einschneidende Daten

Der Zentralrat der Juden erinnert in diesem Jahr gemeinsam mit dem World Jewish Congress mit einer besonderen Aktion an die Novemberpogrome von 1938: An 13 Standorten in Deutschland und fünf Standorten in Österreich sind in Videoprojektionen an Gebäuden oder auf Leinwänden digitale Rekonstruktionen von zerstörten Synagogen zu sehen.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte am Dienstag zu einer Gedenkveranstaltung mit dem Titel "1918 – 1938 – 1989: Gedenken zum 9. November" ins Schloss Bellevue eingeladen. Er möchte den 9. November als einen Gedenktag etablieren, der die Widersprüche, die hellen und dunklen Seiten der deutschen Geschichte widerspiegelt. Im kollektiven Gedächtnis der Deutschen steht der 9. November für drei einschneidende Daten: als Tag der Pogrome von 1938 für die Verfolgung und Vernichtung der Juden im Nationalsozialismus, zugleich als Jahrestag der Ausrufung der Republik 1918 und als Tag des Mauerfalls 1989. (kna)