Frühjahrs-Vollversammlung des Diözesanrates

Flüchtlinge, Friedensethik und Fremdenhass

Viele Fragen rund um das Thema Flüchtlinge galt es auf der Frühjahrs-Vollversammlung des Diözesanrates zu beantworten. Ausgerechnet in der Mensa der Bundeswehr-Universität fand das diesjährige Treffen mit dem Oberthema "Dienst am Frieden - Wie schaffen wir das?" statt. Chefredakteurin Susanne Hornberger war vor Ort und hat die Stimmung eingefangen.

Der Vorsitzende des Diözesanrates der Katholiken im Erzbistum München und Freising, Hans Tremmel, spricht in Neubiberg (Bild: Kiderle) © Kiderle

Neubiberg – Ja, er weine auch gemeinsam mit einem Flüchtling. Die Stimme von Franz Lutje wird leise. "Ich saß mit einem Syrer zusammen, er schaute ins Handy und schwieg und schwieg. Der IS hatte seinen Cousin erschossen", berichtet Lutje und gibt zu, dass ihn diese Geschichte noch heute mitnimmt. Franz Lutje ist Integrationsbeauftragter des Marktes Holzkirchen und berichtet den Teilnehmern des Workshops "Friede in Dorf und Stadt - Integration von Flüchtlingen als Beitrag zum sozialen Frieden" von seinen Erfahrungen und gibt praktische Tipps. "Wichtig ist es von Anfang an Strukturen zu schaffen", erklärt Lutje, "das hat uns sehr geholfen". Die freiwilligen Helfer hätten Deutschkurse organisiert, beim Bewältigen des Alltags geholfen - eben auch mühseligen Behördengängen, und sie haben für Beschäftigung gesorgt - Sport, Freizeit, Religion, Kultur. Gemeinsam Feste feiern baue Vorurteile ab und sensibilisiere für die Kultur des anderen. "Es ist allerdings ein Fehler, den Flüchtlingen unser Deutschtum einfach drüberzustülpen", meint der Integrationsbeauftragte, "sie haben nun einmal eine andere Mentalität." Das bemerke man oft auch bei der Ausbildung oder im Job. Deshalb haben sie im Landkreis einen "Pakt für Arbeit" ins Leben gerufen und versuchen mittels Hospitanzen, Hilfsanstellungen und Qualifizierungsprogramme Flüchtlinge langsam an unsere Arbeitswelt heranzuführen. Die Helfer dürften aber nicht im Stich gelassen werden von der Politik - viele arbeiteten bereits am Anschlag. "Bezahlte Hilfskräfte", fordert deshalb eine Teilnehmerin von der Politik. Andere mahnen, man müsse Sorgen und Ängste der Menschen ernst nehmen. "Deutschland ist ein Einwanderungsland, Politiker sagen das nicht laut, weil sie Angst vor den Rechten haben", meint ein Teilnehmer des Workshops.

In einem anderen, "Pulverfass Naher Osten", erklärt Referent Leutnant Hauke Meier von der Universität der Bundeswehr, dass es in Syrien jetzt eine Wahrheits- und Aufarbeitungskommission geben müsse zwischen Assad-Anhängern und Oppositionellen, "der Hass auf beiden Seiten ist immens", so Meier. Auch Kurdistan sei ein heisses Fass, warnt der Leutnant. Die Türkei wolle keine Unabhängigkeit der Kurden. "Wo ist da unsere deutsche Position? Denn wir liefern Waffen an die Kurden und sie werden uns diese freiwillig nicht herausgeben." Ein Problem, sagt Meier, "über das noch nicht wirklich nachgedacht worden ist."

Es sind diese offenen Worte, der intensive Erfahrungsaustausch und die unzähligen Ratschläge, die diese Frühjahrs-Vollversammlung des Diözesanrats der Katholiken der Erzdiözese München und Freising so spannend wie wertvoll machen - auch wenn einige der 175 Teilnehmer mit dem Tagungsort, der Mensa der Bundeswehr-Universität in Neubiberg, etwas fremdeln. "Dienst am Frieden - Wie schaffen wir das?" - das Oberthema ist nicht leicht zu beantworten, das wird schnell deutlich. In seinem Impulsreferat fordert der ehemalige Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Walter Kolbow (SPD), "Formate und Strukturen, die Frieden fördern für alle Menschen". Und dieser Friede müsse auch einhergehen mit dem Bemühen um das Weltgemeinwohl. "In der Flüchtlingsfrage sind Barmherzigkeit, Nächstenliebe und Solidarität angesagt", betont Kolbow. Diesem stimmt Matthias Gillner, Wissenschaftlicher Direktor an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg, im zweiten Impulsreferat zu. Gewalt in jeder Form herrsche weiterhin in vielen Ländern wie Eritrea, Afghanistan oder Syrien - auch diese Waffenruhe sei brüchig. Wir müssten vor der eigenen Haustür kehren, mahnt Gillner, wir seien schließlich nicht nur die Lösung des Problems, sondern auch Teil des Problems. "Ich will nicht, dass mit deutschen Waffen getötet wird", bekräftigt Gillner und erhält Beifall der Diözesanrats-Mitglieder.

Wir benötigten eine Friedensethik mit einer politischen Strategie, einem echten politischen Dialog, jeder mit jedem, führt er fort. Das Atomprogramm mit dem Iran oder das Eis, das zwischen Kuba und den USA gebrochen sei, seien dafür gute Beispiele. Diesem Punkt stimmt auch Walter Kolbow zu. "Wir müssen reden, reden, reden", macht er deutlich, "wir müssen entsprechende Formate schaffen und Kontakte, auch persönliche, nutzen."

Persönliche Einblicke während der Frühjahrs-Vollversammlung gewährt der Vorsitzende des Diözesanrats der Katholiken der Erzdiözese München und Freising. Professor Hans Tremmel zeigt sich bestürzt über den Tod eines 17-jährigen Ägypters, der vor einigen Tagen bei einer Personenkontrolle aus dem S-Bahn-Fenster sprang - aus Angst vor Abschiebung. Für ihn sei das unerträglich. Und wehrt sich gegen Menschen, die christliche Helfer als "Gutmenschen" beleidigen. "'Gutmenschentum' gehört für Christen geradezu zur Stellenbeschreibung", betont Tremmel, "denn viele Christinnen und Christen bemühen sich tatsächlich ganz bewusst, gute Menschen zu sein, indem sie sich für Notleidende einsetzen und gleichzeitig nachhaltig an humaneren Strukturen bei uns und weltweit mitarbeiten."

Kardinal Reinhard Marx nickt zustimmend. Der Erzbischof zeigt sich beunruhigt über die Vorgänge in Zorneding, den Fremdenhass gegenüber dem mittlerweile zurückgetretenen Pfarrer Olivier Ndjimbi-Tshiende und den Hass, der offen auf Sozialen Netzwerken zu Tage tritt. Überhaupt, die Entwicklung auf unserem Erdteil sei bedenklich. "Europa darf angesichts der Herausforderungen nicht auseinanderbrechen und in Eigeninteressen wieder getrennte Wege gehen", mahnt der Kardinal. Er ruft deshalb Christen auf, "ein Netzwerk über Europa zu spannen für eine Einheit". Denn: "Christen sind Internationalisten, Universalisten und eben keine kleinkarierten Nationalisten." Kardinal Marx spricht außerdem den dritten Jahrestag der Wahl von Papst Franziskus an. Die Kirche habe Schwung aufgenommen, es sei sehr viel in Bewegung. Wenn die Kirche als "Anstoßgeber für die Welt" auch "einen Beitrag dazu leistet, wie es weitergeht für alle Menschen, zeigt sie, warum sie da ist", erklärt Kardinal Marx.

Dies unterstreicht der Erzbischof am Abend auch in seiner Predigt in der Universitätskirche als er sagt, die Basis-Texte für die europäische Kultur seien im Evangelium zu finden, da sie die europäische Zivilisation mehr skizzierten als der Kölner Dom oder Michelangelo.

Susanne Hornberger

Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Friede