AUfklärung in eigener Sache

Fang Fang: Weiches Begräbnis

Auf der Suche nach den Dämonen, die seine Mutter quälen, leuchtet ihr Sohn ein Kapitel in der jüngeren Geschichte Chinas aus, das längst verfälscht und umgedeutet in den Geschichtsbüchern steht.

© © Wu Baojian

Als westlicher Leser kann man mit diesem Einzelschicksal unglaublich viel Neues und Interessantes entdecken über den Gründungsmythos der Volksrepublik, die immer wieder so schwer zu fassen ist für uns. Die Autorin Fang-Fang, ist bei uns bekannt geworden mit ihrem „Wuhan Diary“ dem Tagebuch vom Beginn der Pandemie. "Weiches Begräbnis" ist in China bereits 2016 erschienen und wurde als wichtigstes chinesisches Werk der letzten Jahrzehnte  mit einem renommierten Preis ausgezeichnet. In der Partei wurde der Roman als "Giftpflanze“ gebrandmarkt und das Buch verschwand vom Markt.

Eine junge Frau wird aus dem reissenden Fluss gezogen, übersät mit kleinen Narben, sie wurde offenbar durch die gefährliche Schlucht geschwemmt - ein Leben lang kämpft Ding Zitao gegen die dunklen Erinnerungen aus dieser Zeit, jede kleine Ahnung davon verursacht ihr Schmerzen. Im Alter, als ihr arrivierter Sohn sie zu sich nimmt in eine neue Luxusvilla, brechen die Wunden wieder auf, sie fällt in ein Wachkoma. Der Sohn muss also selber herausfinden, welche Dämonen seine Mutter verfolgen.

Abwechselnd erzählt Fang Fang von seiner Recherche und von der aufwühlenden Reise Ding Zitaos in ihre Vergangenheit, Schritt für Schritt gelangt sie näher an die wundeste Stelle, die schier übermenschliche Verantwortung, die sie tragen musste.

Eine spannende Detektivarbeit in Sachen Geschichte, mit der nachvollziehbar wird, warum in China viele Menschen doch so stoisch auf einschneidendste Maßnahmen reagieren, „Geduld“ und „ertragen“ sind  Schlüsselbegriffe in Ding Zitaos Geschichte.  Fang-Fangs Erzählung fügt der offiziellen Darstellung in grobkörnigem Schwarzweiß, Farben, Tiefe und die unterdrückten Gefühle eines individuellen Schicksals hinzu und sie gibt eine Ahnung davon, wie tief die Entwurzelung vieler Chinesen ist.


Buchtipp

Fang Fang: Weiches Begräbnis

Hoffmann und Campe, 448 S.

26 € inkl. MwSt.

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