Leben mit Behinderung

Familie adoptiert Mädchen mit Down-Syndrom

Das Ehepaar Gentzsch kann keine eigenen Kinder bekommen, deshalb entschieden sie sich für eine Adoption. Ein Junge und ein Mädchen machen die Familie komplett. Ihre Tochter hat Trisomie 21.

Familie Gentzsch © privat

Der Muttertag wird sicher auch bei Familie Gentzsch in Ismaning groß gefeiert: Mama, Papa, zwei Kinder und: ein zusätzliches Chromosom. Denn bei der Tochter gibt es das 21. Chromosom jeweils dreifach. Und das heißt: Sie hat das Down-Syndrom. Kein Problem, findet Mutter Birgit Gentzsch: „Es ist einfach die Maria und das Down-Syndrom gehört zu ihr. Sie ist für mich auch nicht behindert. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich das weghaben möchte. Weil, dann wär´s auch nicht mehr meine Maria.“ Es gibt noch eine Besonderheit in der Familie: Beide Kinder sind adoptiert.

Unerfüllter Kinderwunsch

Kurz nach der Hochzeit stellte sich heraus, dass das Paar keine eigenen Kinder haben kann. Natürlich war die Trauer zuerst groß. Beide haben Trost und Rat im Glauben gesucht und gefunden. Eine künstliche Befruchtung fühlte sich für die beiden nicht richtig an. Nach kurzer Zeit haben sie beschlossen, einen Adoptionsantrag zu stellen. Nach nur einem Jahr haben sie ihren Sohn bekommen. „Als er das erste Mal auf meiner Schulter eingeschlafen ist, war ich so glücklich. Das war das größte Geschenk, das ich je bekommen habe.“  Birgit Gentzsch strahlt, wenn sie sich an diesen Moment erinnert.

Adoption von zwei Kindern

Nach etwa drei Jahren hat der Sohn kundgetan, dass er sich ein Geschwisterkind wünscht. Da er von Anfang an wusste, dass er adoptiert wurde, hat er seiner Mutter den Rat gegeben, doch noch mal die Frau von der Adoptionsstelle der Katholischen Jugendfürsorge zu bitten, dass sie ihnen ein Kind gibt. Der nächste Antrag wurde gestellt. Bei solch einem Antrag kann man verschiedene Kriterien ausschließen. Unter anderem ein Kind mit einer Behinderung. „Aber mein Mann hat immer gesagt, wenn man schwanger ist, kann man ja auch nicht beeinflussen, ob das Kind mit oder ohne Behinderung auf die Welt kommt.“ In der Nachbarschaft gab es außerdem ein Kind mit Down-Syndrom, und so gab es auch keine Berührungsängste bei der Familie.

Es dauerte ein Weilchen. Eines Tages kam Birgit Gentzsch nach einem schönen Arbeitstag nach Hause, freute sich auf ihre Familie und hat eine kleine Zwiesprache gehalten: „Lieber Gott, ich bin so dankbar, ich habe eine wunderbare Familie, einen guten Beruf – wir brauchen kein zweites Kind. Es ist gut, so, wie es ist. Aber wenn es ein Kind gibt, das eine Familie braucht, dann nehmen wir es gerne bei uns auf.“ Am selben Abend kam der Anruf, dass es ein Kind für die Familie gibt. Ein Mädchen mit Down-Syndrom.

Mädchen mit Down-Syndrom: Dieses Kind ist für uns bestimmt."

Das private Umfeld hat sich große Sorgen gemacht, ob die Entscheidung denn wohl richtig ist, ob der Große nicht darunter leiden wird, ob sie nicht lieber noch ein bisschen warten möchten. Aber alle drei waren sich sicher, dieses Kind ist für uns bestimmt. Die kleine Maria war zwölf Wochen alt, als die Familie sie abgeholt hat. Drei Stunden mussten sie mit dem Auto fahren. „Wir haben auf dem Rückweg immer in den Kindersitz geschaut und gefragt, was sie gerade macht. Und sie saß da und hat ganz ruhig gespielt“. Überhaupt war die erste Zeit sehr entspannt. Wenn die Kleine so langsam Hunger angemeldet hat, dann hat sie nicht sofort losgebrüllt, sondern der Mama genug Zeit gegeben, alles herzurichten. „Das war so ganz anders als bei unserem Großen, der ein richtiger Temperamentsbolzen ist. Das war ich gar nicht gewohnt.“

Down-Syndrom


Vom Down-Syndrom spricht man, wenn das Chromosom 21 dreifach vorhanden ist, deshalb auch der Name „Trisomie 21“. Veronika Harlander erklärt, wie sich das Syndrom auswirkt. Sie ist die Psychologin der Heilpädagogischen Tagesstätte Steinhöring des Einrichtungsverbundes Steinhöring.

Merkmale
Die äußeren Merkmale sind die typische Lidfalte, schräg gestellte Augen, eine runde Kopfform, kleinere Ohren oder eine breitere Zunge. Die Auswirkungen im gesundheitlichen Bereich sind oft Herzfehler, eine ausgeprägtere Infektanfälligkeit, schwächere Muskulatur, Bindegewebsschwäche, Veränderungen im Magen-Darm-Bereich. Die Lebenserwartung liegt inzwischen bei über 60 Jahren, weil sich beispielsweise die Herzfehler heute gut behandeln lassen. Die Sterblichkeit im Kindesalter ist dennoch etwas höher als bei Menschen ohne Down-Syndrom.

Geistige Behinderung
Grundsätzlich können Menschen mit Down-Syndrom sehr viel lernen. Man geht davon aus, dass die Entwicklung langsamer stattfindet, aber sie findet statt. Sie lernen gehen, sprechen, aber auch beispielsweise Fahrradfahren oder Schwimmen. Einschränkungen gibt es im kognitiven Bereich. Man spricht in den meisten Fällen von leichter bis mittelgradiger Intelligenzminderung. Die meisten können lesen und schreiben lernen und bei entsprechender Förderung rechnen.

Freundliches Wesen
Hervorzuheben ist sicher das Wesen der Menschen mit Down-Syndrom. Das kann man beschreiben als freundlich, heiter und liebevoll. Sie sind sehr feinfühlig und leben im Hier und Jetzt. Auf der anderen Seite haben sie auch einen sehr starken eigenen Willen und eine klare Vorstellung davon, wer sie sind, was sie wollen, wie sie ihre Bedürfnisse äußern können und was ihnen Spaß macht.

Außerdem hat sie ein großes Talent, emotionale Spannungen in Wohlgefallen aufzulösen. Schon als Kleinkind hat sie, wenn die Mama sie kurz geschimpft hat, gelächelt, sich über die Wange gestreichelt und „Ei“ gesagt – und alles war wieder gut. Auch heute schafft sie es mit ihrer Art, gute Gefühle zu verbreiten. Während die eigene Familie sehr skeptisch war, bekamen die Gentzschs immer wieder anerkennende Worte dafür, dass sie ein Kind mit Down-Syndrom in ihr Familie aufgenommen haben. „Das waren ganz andere Reaktionen als bei Familien, die leibliche Down-Kinder haben. Wir haben ja inzwischen einige Kontakte. Die müssen sich oft rechtfertigen, warum sie nicht abgetrieben haben. Das finde ich sehr grausam.“

Krankengymnastik und Schulbegleitung

Das Leben mit der Behinderung bringt zwar einige zusätzliche Arbeit mit sich: Krankengymnastik zur Förderung der Motorik, Logopädie zur Förderung der Sprache und eine Schulbegleitung für den Besuch der Regelgrundschule. Gerade hat Maria die Grundschule beendet und geht auf eine Mittelschule. In ihrer Freizeit trifft sie Freundinnen mit und ohne Down-Syndrom, sie schwimmt und radelt gern. Aber das Down-Syndrom, so die Mutter, ist nur eine ihrer Eigenschaften: „Natürlich hat man am Anfang größere Bedenken, als wenn man ein gesundes Kind adoptiert, aber nach ein paar Wochen war sie einfach die Maria. Und ich bin sehr froh, dass sie zur Welt gekommen ist und wir sie adoptieren durften.“

Podcast-Tipp

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Die Autorin
Brigitte Strauß-Richters
Radio-Redaktion
b.strauss-richters@michaelsbund.de