Angriff auf Ukraine und die Medien

Ethikerin: Auch im Krieg soll Journalismus kein Aktivismus sein

Spätestens seit den grausamen Bildern aus der Stadt Butscha wird diskutiert, wie detailliert Medien über den Krieg in der Ukraine berichten sollten. Es geht aber auch darum, welche Begriffe angemessen sind und wie neutral Journalisten sein können. Für Medienethikerin Claudia Paganini ist das ein schmaler Grat.

Zerstörte Fabrik in der ukrainischen Stadt Butscha, nordwestlich von Kiew. Dort sollen zahlreiche mutmaßliche Kriegsverbrechen durch russische Truppen an der Zivilbevölkerung begangen worden sein. © IMAGO/ZUMA Wire

Nach Ansicht der Münchner Medienethikerin Claudia Paganini sollten sich Berichterstatter auch im Ukraine-Krieg um möglichst viel Sachlichkeit und Neutralität bemühen: "Journalismus sollte nie in Aktivismus abgleiten, auch wenn das ein schmaler Grat ist, gerade in Situationen wie jetzt in Kiew. Das Ziel sollte aber nicht aus den Augen verloren werden", sagte sie am Donnerstag im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die Philosophin, Theologin und Journalistin lehrt an der Hochschule für Philosophie der Jesuiten.

Auf die Frage, ob die Medien nicht Anwälte der Opfer sein sollten, antwortete sie: "Ich finde, wir Leser und Zuschauer sollten uns auf die Seite der Opfer stellen. Die Berichterstatter aber sollten in erster Linie die nötigen Informationen liefern, damit wir klar erkennen können, wer Opfer ist und wer Täter."

Mehr Sensibilität als in anderen Krisen

Insgesamt gingen die meisten Journalistinnen und Journalisten bisher sehr verantwortungsbewusst mit ihrer schwierigen Aufgabe um, fügte Paganini hinzu. Sie habe den Eindruck, "dass eine Sensibilität herrscht, die in anderen Krisen nicht immer da war".

Sie empfahl weiter, sich nicht vom Druck der zum Teil sehr drastischen Bilder auf Instagram, TikTok und Co. mitreißen zu lassen, sondern weiter gründlich und sorgfältig zu recherchieren. Wichtig sei zudem eine größtmögliche Transparenz. Man müsse klar benennen, dass viele Informationen von Kriegsparteien kämen und oft nicht durch eine zweite Quelle bestätigt werden könnten.

Mit Empathie berichten

Medienleute sollten die Kriegsgräuel richtig einordnen, ohne Leser und Zuschauer zu überfordern, "indem sie sich auf Fakten konzentrieren, aber durchaus mit Empathie berichten. Nicht übertrieben skandalisieren und emotionalisieren. Einordnen und auch transparent machen, was man nicht weiß und wo man selbst emotional berührt ist."

Zum Streit um die richtigen Begriffe erklärte die Medienethikerin weiter, sie halte es für richtig, bisher von "mutmaßlichen Kriegsverbrechen" zu sprechen. Dies sein ein juristischer und völkerrechtlicher Begriff: "Hier ist der Begriff mutmaßlich angemessen, solange es keinen Prozess und keine richterlichen Entscheidungen gibt. 'Mutmaßliche Gräueltaten' dagegen ist Unsinn. Hier sieht man ja auch ohne Richter eindeutig, dass es Gräueltaten gab - unabhängig davon, wer genau was getan hat und warum." (kna)