Gesamtstrategieprozess

Erzbistum München und Freising stellt Weichen für die Zukunft

Zum offiziellen Abschluss des Gesamtstrategieprozesses in der Erzdiözese liegt nun das "Strategische Zielbild" vor. Es zeigt Leitlinien für das künftige Handeln auf und dient als Grundlage für Entscheidungen über personelle, finanzielle oder räumliche Ressourcen. Die konkrete Ausgestaltung soll vor Ort erprobt werden.

Generalvikar Christoph Klingan spricht auf der virtuellen Pressekonferenz zum Gesamtstrategieprozess in der Erzdiözese. © Kiderle

München - Mit ihrem „Gesamtstrategieprozess“ hat die Erzdiözese München und Freising im Verlauf der vergangenen 15 Monate daran gearbeitet, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Es ist ein Versuch, Antworten auf die immer drängenderen Fragen nach den künftigen Möglichkeiten kirchlichen Handelns zu finden: Wie kann die Kirche trotz schwindender personeller und finanzieller Ressourcen weiterhin handlungsfähig bleiben? Wo und wie kann sie die Menschen erreichen?

Mit dem Prozessabschluss beginnt die Umsetzung

Nun ist dieser Strategieprozess, dessen Verlauf durch die Corona-Pandemie erheblich erschwert und wiederholt von kritischen Stimmen begleitet war, offiziell zum Abschluss gekommen. Es ist eine weitere Pointe dieses für Außenstehende nicht immer leicht verständlichen Prozesses, dass erklärend dazugesagt werden muss: Mit diesem Abschluss geht es „eigentlich erst so richtig los“, wie es Pastoralreferentin Susanne Deininger bei der Präsentation der Ergebnisse durch Generalvikar Christoph Klingan formulierte.

"Der Gesamtstrategieprozess hat hohe Erwartungen an die gemeinsame Arbeit am Haus Kirche geweckt. Die Mitarbeit ermöglichte gegenseitiges Kennenlernen und bot neue Einsichten in Strukturen und Denkweisen unseres Ordinariats. Im Laufe der Workshops ist dann der Eindruck entstanden, dass das Potenzial kirchlicher Verbände und Vereine nur am Rande – wenn überhaupt – eine Rolle spielt. Ein Positionspapier der großen Münchner Verbände hat auf diese Beobachtung hingewiesen. Die Umsetzung wird zeigen, ob die Wirkung verbandlicher Arbeit für die Gestaltung unserer Kirche erkannt und genutzt wird." Karlheinz Brunner, Vorsitzender Kolpingwerk Diözesanverband München und Freising

Daher sind auch die nun veröffentlichten „Ergebnisse“ nicht so zu verstehen, dass nun bereits fertige Entscheidungsvorlagen auf dem Tisch lägen. Vielmehr handelt es sich um ein sogenanntes „Strategisches Zielbild“, das aus den Beratungen von sechs Arbeitsgruppen zu einzelnen kirchlichen Handlungsfeldern hervorgegangen ist. Dieses Zielbild soll in den kommenden Monaten und Jahren konkret vor Ort angewandt, erprobt und ausgestaltet werden – und erst zu gegebener Zeit zu tatsächlichen Maßnahmen wie etwa der Beendigung oder dem flächendeckenden Ausbau bestimmter Aktivitäten führen.

Pilotprojekte zur Wirksamkeit und zur Immobilienstrategie

Zwei regionale Pilotprojekte machen den Anfang. Das Projekt „Wirksamkeit in der Pastoral“ unternimmt den Versuch, die Wirkung von kirchlichen Angeboten anhand festgelegter Kriterien zu bewerten. Deininger, die an diesem Projekt mitarbeitet, veranschaulichte in ihren Ausführungen ein Dilemma: Einerseits sei es unabdingbar, die Effektivität der kirchlichen Angebote auf den Prüfstand zu stellen und manches zu hinterfragen, was „schon immer so gemacht wurde“, andererseits sei die Wirksamkeit oftmals nicht in Zahlen auszudrücken und daher kaum objektiv messbar. Generalvikar Klingan unterstrich, dass es der Kirche zwar darum gehe, möglichst viele Menschen zu erreichen, dass man deswegen aber auf keinen Fall von personalintensiven

Seelsorgediensten wie der Einzelbegleitung von Kranken und Sterbenden Abstand nehmen wolle, da diese unmittelbar zum Auftrag der Verkündigung gehöre.

"Zu Beginn des Gesamtstrategieprozesses habe ich viele Stimmen vernommen, die skeptisch gefragt haben: Wozu schon wieder ein Prozess? Haben wir das nicht schon zur Genüge gemacht? Lohnt sich der finanzielle Aufwand? Dann kam Corona – und mitten in dieser Krise eine Flut von Kirchenaustritten im Zuge des Umgangs mit dem Kölner Missbrauchsgutachten. Dazu noch das Rücktrittsangebot unseres Kardinals. Die Seelsorger und die Gemeinden hatten ihren Kopf ganz woanders; sich digital über den Verlauf und die Ergebnisse des Prozesses zu informieren, war bei vielen nicht vordringlich. Ich nehme insgesamt bei den Seelsorgenden und den Pfarreien eine echte Erschöpfung wahr, einhergehend mit einer gewissen Perspektivlosigkeit. Allen ist klar: Die kommenden Jahre werden nicht leichter. Geld und Personal werden knapper. Wichtig wäre die Stärkung einer unserer wichtigsten Ressourcen: der Hoffnung." Pfarrer Wendelin Lechner, PV St. Clemens und St. Vinzenz, Dekan des Dekanats Nymphenburg

Das andere Pilotprojekt befasst sich mit einer „Immobilienstrategie auf Basis pastoraler Nutzungskonzepte“. Dabei soll in einem Dekanat der Erzdiözese erprobt werden, wie die hohe Baulast reduziert werden kann, wobei Optionen wie eine gemeinsame Nutzung mit ökumenischen oder kommunalen Partnern sowie die Aufgabe einzelner Gebäude diskutiert werden.

Ein erster Schritt zur strategischen Neuorientierung

Der Generalvikar betonte, dass ein Großteil der anstehenden Entscheidungen gar nicht im Alleingang auf Ordinariatsebene getroffen werden könne, sondern dass Gremien und Betroffene vor Ort miteinbezogen würden, etwa Kirchenverwaltungen und Vertragspartner. Mit der Förderung ehrenamtlichen Engagements, dem Ausbau digitaler Formate und einer Verbesserung von Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit skizzierte er weitere anstehende Aufgaben. Es sei „klar, dass der Gesamtstrategieprozess nur ein erster Schritt hin zu einer strategischen Neuorientierung der Erzdiözese“ gewesen sei, erklärte Klingan. Ein erster Schritt also, der nach 15 Monaten deutlich gemacht hat, was alles noch zu tun ist. Der bei vielen Beteiligten auch Neugier und Vorfreude darauf geweckt hat, was alles noch möglich ist. Weitere Schritte werden folgen. Es werden beherzte, schnelle Schritte sein müssen. (Joachim Burghardt)

Zusammenfassung des Strategischen Zielbilds:


„Kirchliche Angebote für eine zeitgemäße Verkündigung neuordnen“

1. Angebote in der Fläche: Die Kirche hat den Auftrag, das Evangelium in Wort und Tat unter den Menschen zu bezeugen und zu verkünden. Die Erzdiözese München und Freising richtet sich mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen an diesem Auftrag und an dem, was sich als Bedarf bei den Menschen zeigt, aus. Sie hinterfragt, wo und wie sie mit ihrem Handeln Wirkung entfaltet, zieht aus den gewonnenen Erkenntnissen konkrete Konsequenzen und gestaltet so Kirche.

„Eine Kirche gestalten, die nah bei den Menschen ist“

2. Zielgruppenorientierung: Die Erzdiözese gestaltet ihr Handeln nah an der Lebenswirklichkeit und den Bedürfnissen der Menschen und behält dabei ihren kirchlichen Auftrag für alle Menschen im Blick. Eine Zielgruppenorientierung führt so etwa zur Schärfung des Profils der Pastoral vor Ort sowie weiterer kirchlicher Angebote in der Erzdiözese und damit auch zu einem an der Wirksamkeit orientierten Ressourceneinsatz.

„Den Auftrag der Kirche (neu) in den Blick nehmen“

3. Inhaltliche Strategie: Verkündigung des Evangeliums, Feier der Gottesdienste und der Sakramente sowie Dienst am Nächsten sind Aufgaben, die sich gegenseitig bedingen und sich nicht voneinander trennen lassen. Sie sind konstitutiv für die christliche Gemeinschaft mit Gott und den Menschen. Die Erzdiözese München und Freising richtet ihr Handeln und Wirken – sowohl innerkirchlich als auch in die Gesellschaft hinein – danach aus, wo diese Grundvollzüge in ihrer gegenseitigen Verwiesenheit besonders wirksam ausgestaltet werden.

„Mit Innovation die Voraussetzung für die Kirche der Zukunft schaffen“

4. Innovation: Die Erzdiözese versteht Innovation als übergreifendes Thema in allen ihren Tätigkeitsbereichen. Sie schafft die strukturellen und institutionellen Voraussetzungen für Innovationen, die dem kirchlichen Auftrag dienen und diesen stärken.

„Das ehrenamtliche Engagement wirksam in das kirchliche Handeln einbinden“

5. Rolle des Ehrenamtes: Die Erzdiözese fördert und lebt die verantwortliche Einbindung des ehrenamtlichen und freiwilligen Engagements in all seinen Rollen und Funktionen. Dieses Engagement ist unverzichtbarer Bestandteil kirchlichen Lebens und findet strukturell und institutionell neue Beachtung.

„Verantwortungsvoll mit kirchlichen Ressourcen umgehen“

6. Finanzen, Ressourcen & Vernetzung: Die Ressourcen der Erzdiözese werden bevorzugt in Handlungsfeldern eingesetzt, die nach objektiven Kriterien im Sinne des kirchlichen Auftrags Wirksamkeit entfalten. Sie setzt dabei verstärkt auf Vernetzung. Die Erzdiözese nutzt die ihr anvertrauten Ressourcen nachhaltig im ökologischen, sozialen und ökonomischen Sinn.

„Baulast reduzieren sowie Immobilien kooperativ nutzen und erhalten“

7. Immobilien & Immobilienstrategie: Für das kirchliche Handeln auf dem Gebiet der Erzdiözese wird im Sinne eines stärker verantwortungsvollen und ökonomisch nachhaltigen Umgangs mit den Ressourcen die Baulast durch verstärkte kooperative Nutzung von Immobilien und durch Aufgabe von Gebäuden reduziert. Gebäude werden erhalten und gefördert, wo der begründete, nachvollziehbare und an der Wirksamkeit ausgerichtete Bedarf langfristig besteht.

Der Redakteur
Joachim Burghardt
Münchner Kirchenzeitung
j.burghardt@michaelsbund.de