Vom Museum zur Moschee

Erstes Freitagsgebet in der Hagia Sophia

Die Hagia Sophia wird diesen Freitag offiziell zur Moschee. Die Kritik an der Umwandlung reist nicht ab.

Die Hagia Sophia ist wieder eine Moschee. © imago images / Seskim Photo

Istanbul – Die Hagia Sophia in Istanbul wird an diesem Freitag offiziell wieder zu einer Moschee. Im Beisein des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan wollen rund 2.000 Menschen dort das islamische Freitagsgebet vollziehen.

Die Kritik reißt auch am Tag des ersten Freitagsgebets nicht ab. "Das ist ein symbolischer Akt, der an Dramatik kaum zu überbieten ist", sagte der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, bei NDR info. Die Entscheidung, das Gebäude in ein muslimisches Gotteshaus umzuwandeln, sei eine klare Absage an religiöse Toleranz. "Wenn die Türkei eine Brücke zu Europa bewahren will, muss sie sich als ein Land verstehen, das elementare Menschenrechte anerkennt, Religionsfreiheit inbegriffen", mahnte Huber.

Roth: Umwidmung ist Grenzüberschreitung

Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth sprach von einer "Kampfansage an die laizistische Türkei" und warf Erdogan einen Missbrauch von Religion vor. Der Präsident spalte die Gesellschaft und versuche, von Wirtschafts- und Corona-Krise abzulenken, sagte Roth im SWR. Die Umwidmung sei eine Grenzüberschreitung, mit der sich Erdogan Applaus aus der islamischen Welt sichern wolle. Darauf müsse die EU deutlicher reagieren als mit Kritik - etwa mit einem Lieferstopp für Rüstungsgüter.

Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk erklärte, die Umwidmung der Hagia Sophia widerspreche den Absichten von Mustafa Kemal Atatürk. Sein Ziel sei eine säkulare und zugleich muslimisch geprägte Türkei gewesen, erklärte Pamuk im Interview der Deutschen Welle: "Die Türkei als Teil der großen europäischen Kultur und Zivilisation." Allerdings positioniere sich die Opposition nicht deutlich genug gegen die Entscheidung Erdogans, und Kritiker hätten es schwer, Gehör zu finden.

"Kein Gebet, das wird ein eine politische Demonstration"

Der muslimische Intellektuelle und Oppositionspolitiker Cihangir Islam warf der türkischen Regierung Heuchelei vor. "Das wird kein Gebet, das wird eine politische Demonstration", sagte er der "Welt". Die Regierung wolle ihre Macht aufrecht erhalten: "Nur deshalb bedient sie sich manchmal einer religiösen Rhetorik."

Der türkische Abgeordnete wandte sich zudem gegen das Bild einer "Islamisierung" seines Heimatlandes. "Die Türkei wird nicht islamisiert, sie wird von einem autoritären Regime geführt", betonte Islam. Als muslimischer Bürger sehne er sich nach einer Türkei, in der Menschenrechte, Rechtsstaat und Demokratie herrschten.

Die Hagia Sophia war fast 1.000 Jahre lang die größte Kirche des Christentums. 1453 machten die osmanischen Eroberer daraus eine Moschee. Der Gründer der türkischen Republik, Mustafa Kemal "Atatürk", erklärte das Bauwerk 1934 zum Museum. Ihre erneute Umwandlung in eine Moschee durch die Regierung Erdogan löste international scharfe Proteste aus, insbesondere von den orthodoxen Kirchen, aber auch vonseiten Russlands und der EU. Der Schritt wurde vielfach als eine Belastung für den Dialog zwischen den Kulturen kritisiert und als Beleg dafür, dass sich die Türkei weiter von Europa entferne. (kna)