Rebellen von Sarayaku

Eribertos Angst vor der Straße

Seit über 30 Jahren wehren sich die Kichwa-Indianer von Sarayaku erfolgreich gegen die Erdölförderung auf ihrem Gebiet. Der Widerstand allein wird sie aber nicht retten. Denn schon jetzt setzt den Kichwa die Entwicklung in den Nachbargebieten merklich zu.

Eriberto Gualinga © Sankt Michaelsbund/Hasel

Sarayaku–Eriberto Gualinga sitzt am offenen Feuer und räuchert den selbstgefangenen Fisch. Der 39jährige ist zufrieden mit seinem Leben. Er hat Frau und Kinder, betreibt Ackerbau und geht fischen. Doch diese Idylle im Regenwald ist in Gefahr. Der Staat versucht schon seit 1989 zusammen mit Erdölfirmen, Bohrungen auf dem Gebiet von Sarayaku in die Wege zu leiten. Die Indianer haben dagegen vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte geklagt und gewonnen. Seitdem haben die Kichwa einen Rebellen-Status in Ecuador. Langfristig streben die rund 1.4000 Indigene sogar eine Autonomie für ihr Territorium an. Doch ob daraus etwas wird, ist mehr als fraglich.

Sarayaku sagt Nein zum Erdöl

Die Regierung und mit ihr im Schlepptau die Erdöl-Firmen stehen quasi an den Grenzen des Stammesgebiets bereit, um mit Tricks und Täuschungen doch noch eine Möglichkeit zu finden, an das Öl unter dem Boden von Sarayaku heranzukommen. Deshalb wollen die Indianer nun erneut vor Gericht ziehen. Denn, so Eriberto, die wichtigste Auflage des letzten Urteils habe die Regierung noch gar nicht erfüllt: die Anhörung der Indigenen. Die müssen gefragt werden, ob sie einverstanden sind, dass Erdöl ans Tageslicht gebracht wird. Die Kichwa von Sarayaku sagen Nein dazu, sie wollen sich ihre traditionelle Lebensweise bewahren.

Die Straße lockt die Jungen in die Städte

Aber selbst wenn das rebellische Dorf die juristische Auseinandersetzung mit dem Staat gewinnen sollte, heißt das noch lange nicht, dass die Kichwa ihr Gebiet vor dem Zugriff der Ölkonzerne bewahren können. Der große Knackpunkt ist der Straßenbau, der sich scheinbar unaufhaltsam seinen Weg durch den dichten Dschungel bahnt. Sarayaku blieb bislang davon verschont. Noch ist das Dorf nur aus der Luft oder über den Rio Bobonaza zu erreichen. Ich selber bin mit unserer Adveniat-Journalistengruppe von Puyo aus ca. fünf Stunden auf dem Fluss in einem schmalen Kanu nach Sarayaku gefahren. Eine ziemlich mühsame Angelegenheit, denn zurzeit trägt der Strom nur wenig Wasser. Was für mich anstrengend scheint, ist für Eriberto überlebenswichtig. Denn ist Straße ist schon bedrohlich nahe gekommen. Rundum Sarayaku setzen die Konzerne alles daran, Öl zu fördern. Im Schlepptau der Erdölfirmen kommen Siedler, die sich entlang der Zufahrtsstraßen zu den Bohrlöchern niederlassen, Wald für die Landwirtschaft roden und Tiere auf den Territorien der indigenen Völker jagen. Und noch aus einem anderen Grund hat Eriberto Angst vor der Straße: sie ermöglicht es den Jugendlichen, in die Städte zu gehen. Viele gehen in den Schulferien dorthin und kommen nie wieder zurück. Sie haben über ihre Smartphones die moderne Welt kennen gelernt und wollen das Dorfleben hinter sich lassen. Ob seine Kinder auch noch so leben werden wie er, frage ich Eriberto. Er hofft es und kämpft weiter – auf seine Art: unermüdlich dreht er professionell Filme über das Leben der Kichwa und präsentiert sie auf Festivals in der ganzen Welt. Denn die Welt muss wissen, was es bedeutet, wenn es eines Tages den Regenwald und die mit ihm eng verbundenen Indianer nicht mehr geben sollte, sagt Eriberto, bevor wir uns verabschieden. (Paul Hasel)