Buch über König Otto I.

Erdbeeren als Lieblingsbeschäftigung

Er regierte auf dem Papier länger als alle Wittelsbacher-Könige vor und nach ihm. Doch wegen einer psychischen Erkrankung wurde Otto I. 33 Jahre in Isolationshaft gehalten. Alfons Schweiggert hat ein Buch über ihn geschrieben.

Autor Alfons Schweiggert in der Buchhandlung Lesetraum in München (Bild: Irgens-Defregger) © Irgens-Defregger

München – Er stand nie im Rampenlicht, dennoch war sein Leben nicht minder aufregend. Otto, König Ludwigs II. jüngerer Bruder, schwärmte für Ballett und die Frauen. Als Prinz ging er auf Grand-Tour, erreichte auch das heilige Land und beteiligte sich an zwei Kriegen. Und er war ein Gefangener. Gefangen in seiner eigenen quälenden Psyche. Das Dasein eines Einsiedlers fristend ein halbes Leben lang. Da nutzte es nicht, dass seine protestantisch-preußische Mutter Marie zum Katholizismus konvertierte, in der Hoffnung, damit an höchster Stelle, die Gesundheit ihrer Kinder zu erwirken.

 

33 Jahre wurde Otto im Schloss Fürstenried in Isolationshaft gehalten, von wo aus sein Blick vom Fenster immer wieder starr auf die Münchner Frauenkirche gerichtet war. Sommers wie Winters verbrachte er Stunden im Park, um Erdbeeren zu suchen. Seinen Bruderkönig Ludwig II. hat er dennoch um 30 Jahre überlebt. Um Ludwigs enorme Bau-Schulden abzutragen, wurde der längst von ihm Entmündigte nach dessen Tod zum König ernannt. Als Ottos Stellvertreter regierte de facto Prinzregent Luitpold.

 

Lange Amtszeit

Ironie der Geschichte: Otto hat Bayern zwar keinen einzigen Tag regiert. Aber seine Amtszeit als bayerischer König von Gottes Gnaden übertraf diejenige sämtlicher Wittelsbacher Könige vor und nach ihm. Dabei sollte man ihn nicht, wie es so oft geschieht, mit seinem Onkel und Taufpaten Otto I. von Griechenland verwechseln.

 

Kaum ein Münchner hat den an einer ausgewachsenen Psychose leidenden König damals zu Gesicht bekommen. Verständlich, dass es in der Gerüchteküche schon damals brodelte: „Hat er am End` gar nicht gesponnen?“ fragt der Historiker Alfons Schweiggert bei seiner Buchpräsentation in der Münchner Buchhandlung „Lesetraum“. 20 Jahre lang hat er sich eingehend mit dem Lebensbild Ottos (1848-1916) beschäftigt. Als bemerkenswertes Ergebnis herausgekommen ist die spannende Biografie mit dem Titel: „Bayerns unglücklichster König. Otto I., der Bruder Ludwigs II.“ (Verlag Sankt Michaelsbund).

Der Direktor des Sankt Michaelsbunds, Stefan Eß (rechts), mit Buchautor Schweiggert
Der Direktor des Sankt Michaelsbunds, Stefan Eß (rechts), mit Buchautor Schweiggert (Bild: Irgens-Defregger)

Während ungezählte Regalmeter populärer und wissenschaftlicher Literatur über den Märchenkönig Ludwig zur Verfügung stehen, ist es umso erstaunlicher, dass sein Bruder bisher überhaupt nicht wahrgenommen wurde. Indem Schweiggert ein neues Kapitel in der Familiengeschichte der Wittelsbacher aufschlägt, füllt er erstmalig eine Forschungslücke, die auch die Anfänge er Münchner Psychiatriegeschichte mit einbezieht.

Gefragtes Werk

Recherchen im Geheimen Hausarchiv der Wittelsbacher haben dem Autor viele wertvolle Details geliefert, woraus ein abwägendes und kurzweilige Lebensporträt vom der Geburt des Siebenmonatskindes bis zum „pomp funèbre“ des im Alter von 68 Jahren Verstorbenen entstanden ist. Wie gefragt derzeit sein Werk ist, zeigt die Tatsache, dass bereits wenige Monate nach dem Erscheinen seines Buches die zweite Auflage nachgedruckt werden musste, die jetzt vorliegt.

Wer also war dieser um knapp drei Jahre jüngere Bruder Ludwigs, dessen Anderssein sich schon als Kind durch Stimmenhören und Halluzinationen ankündigte? Weinend stand der 15jährige am Totenbett des Vaters Max. „Sanft, bescheiden, von herzensgewinnender Güte, Liebenswürdigkeit und Leutseligkeit“ wird der „Liebling des ganzen Hofes“ beschrieben. Als Spielgefährte Ludwigs war er stets der Untergebene. Später dann übernahm er oft die Assistentenstelle des jungen Königs, begleitete Ludwig zu Empfängen und vertrat ihn an höchster Stelle bei der Kaiserkrönung in Versailles.

Nach der kurzweiligen Lektüre der 287 Seiten wird uns das Porträt dieses Schattenkönigs im Gedächtnis bleiben. (Angelika Irgens-Defregger)