Hochschul- und Schulpastoral unter einem Dach

Entfaltung ermöglichen

Vom Erstklässler bis zum Professor begleitet das Schüler- und Studentenzentrum Rosenheim Menschen auf ihrem Lebensweg. Um herauszufinden, was ihnen wirklich wichtig ist, greifen sie dort sogar zu Pfeil und Bogen.

Christian Eichinger (links) und Karl-Heinz Lehner eröffnen durch Bogenschießen einen Zugang zu den großen Fragen des Lebens (Bild: Lipp) © Lipp

ROSENHEIM– Schon das Gebäude hat eine Ausstrahlung. Hier kann man aus einem Körbchen einen zusammengerollten Zettel mit einem „Zuspruch für den Tag“ ziehen, dort sich mit einem Kaffee in eine gemütliche Sofa-Ecke zwischen Zimmerpalmen zurückziehen. All das ist sichtbarer Ausdruck für die Idee, die dahintersteckt: einen Raum zu ermöglichen, an dem der Mensch Mensch sein und der Geist wirken kann.

1997 wurde das Schüler- und Studentenzentrum (SSZ) Rosenheim eröffnet. Einzigartig ist die Verbindung von Hochschulseelsorge und Schulpastoral in einem Haus. Der Leiter der diözesanen Einrichtung, Karl-Heinz Lehner, kümmert sich um die Hochschulgemeinde, während sein Stellvertreter Christian Eichinger für alle Schularten im Landkreis zuständig ist. Sozialpädagogen und Verwaltungskräfte vervollständigen das Team.

Die Herangehensweise vereint beide Bereiche. „Wir machen vor allem Persönlichkeitsbildung, meistens im Kontext von Übergängen“, erklärt Eichinger. Das könne etwa die Entscheidung sein, wie es nach der Schule weitergeht. „Hier kann man grundsätzlicher fragen: Wie stelle ich mir mein Leben überhaupt vor?“, ergänzt der Pastoralreferent. Einzelne Schüler, Studenten und Lehrer gehören ebenso zur Zielgruppe wie ganze Klassen, Schulleitungsteams und Fakultäten. „Biblisch gesprochen begleiten wir Menschen vom Gründonnerstag über den Karfreitag zu hoffentlich einem Ostermorgen“, erläutert Lehner. „Am Wichtigsten ist es, das Schwere auszuhalten und nicht wegzudrücken.“

Unmittelbar wird spürbar, dass die Angebote des Zentrums in die Tiefe gehen wollen. Aber nicht als religiöser Zusatz, sondern von Anfang an. „Wir Menschen haben keine spirituelle Dimension, sondern wir sind spirituelle Wesen, die ihr Menschsein entdecken“, zitiert Lehner den französischen Theologen Teilhard de Chardin. „Das heißt: kein theoretisches Gerede, sondern sich selbst in seiner Wirklichkeit erleben“, übersetzt sein Kollege. Wie kann das konkret aussehen? Eine beliebte Methode ist das Bogenschießen. „Wir stellen Fragen wie: Wie stehe ich da? Welche Pfeile habe ich im Köcher? Passt der Bogen zu mir, zu meiner Kraft, zu meiner Herausforderung? Welches Ziel habe ich?“, führt Eichinger aus. Die Erlebnispädagogik spiele oft mit den eigenen Grenzen und zwinge die Teilnehmer, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, etwa bei einem Trip in die afrikanische Wildnis. Dabei könne jeder entdecken, was in seinem Leben wirklich wichtig ist. Solche Formen der Persönlichkeitsbildung stellen nur einen Teil der Arbeit dar, machen aber den besonderen Reiz des Zentrums aus.

So haben Professoren der Hochschule Rosenheim, die ansonsten nichts mit Kirche zu tun haben, ein Coaching und Fortbildungen angefragt. Wie reagieren sie, wenn die Theologen ihnen mit Ignatius und Benedikt von Nursia kommen? „Da treffen Welten aufeinander“, stellt Eichinger klar. „Doch wir haben etwas zu sagen – in einer Sprache, die mit Vorbehalten angenommen wird. Aber wenn die eigene Erfahrung dazukommt, erschließt sich eine Tiefe.“ Inzwischen kommen Anfragen aus ganz Deutschland. So viele, dass Lehner auch Absagen erteilen muss.

Das Engagement der beiden Pastoralreferenten ist mit ihrer Lebensgeschichte verbunden. „Hier kann ich das tun, warum ich ursprünglich Theologie studiert habe: Menschen begleiten, damit sie sich entfalten können“, erzählt Eichinger. Lehner beschreibt seine Motivation „fast schon als Kindheitserfahrung“. Mit seinem Drang, alles verstehen zu wollen, habe er andere irritiert. Er sollte funktionieren, aber keine Fähigkeiten entwickeln. „Es galt der Grundsatz: Wenn du zugehörig sein willst, darfst du dich nur in einem festgelegten Rahmen entwickeln. Gott aber sagt, ich verliere meine Zugehörigkeit nicht und ich darf mich entwickeln“, beschreibt der 56-Jährige.

Die eigene Erfahrung unterstützt ihre Devise, keine fertigen Lösungen anzubieten, sondern den anderen wie Jesus zu fragen: „Was willst du, dass ich dir tue?“ Dass Lösungen gefunden werden können, davon sind die Leiter des Zentrums aber überzeugt. „Schließlich ist jedes Problem eine Lösung in einer hässlichen Verpackung“, sagt Lehner verschmitzt. (Theresia Lipp)

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