An den heften sich Moospflanzen und verschiedene Algen, die nach oben, zum Licht hin wachsen. Durch einen komplizierten chemischen Prozess entziehen sie dem fließenden Wasser ständig weiteren Kalk, aus dem ein immer höher werdendes Tuffgestein entsteht. Auf dessen Rücken versickert das Wasser nicht, sondern fließt ständig weiter, neuer Kalk lagert sich ab und baut den Felsen unermüdlich auf. Ein Solitär in einer Gegend, in der sonst nur Kieselsteine an der Isar zu finden sind. Nik Söltl ist hier fast jede Woche. Der frühere Schulleiter, Stadtrat, Kulturbeauftragte und Heimatforscher im nahegelegenen Landau a.d. Isar führt Gruppen, erklärt das von Laubbäumen umstandene Naturdenkmal und zeigt ihnen auch die Kirche. In der ist der Felsen ebenfalls zu sehen. Dazu später.
Ort der Stille am Isar-Radweg
Manchmal kommt der 76-Jährige einfach so nach Usterling. „Ich liebe diesen Ort, der mich zur Ruhe bringt.“ Diesen stillen Platz für die Seele, der zum Ausruhen einlädt und am Isarradweg zwischen Landshut und Plattling liegt, entdecken auch immer mehr Radfahrer. Nik Söltl lädt sie gerne ein, sich zu ihm auf die Bank zu setzen und erzählt den Fremden von diesem seit 1937 geschützten Naturwunder. Viele bleiben dann viel länger hier als sie es eigentlich geplant hatten und steigen die rund 80 Stufen hinauf, die vom Ende des Felsens und seiner wasserführenden Rinne bis hinauf zur Quelle führen. Dort lässt sich darüber sinnieren, ob schon die ersten Siedler in der Jungsteinzeit diese Quelle und den Wachsenden Felsen gekannt und gepflegt haben, ob es die Römer waren oder erst die Christen im Mittelalter. Nik Söltl hält ihn für nicht älter als 1000 Jahre, doch eines steht für ihn fest: „Ohne menschliche Unterstützung wäre der Fels in die Breite, aber nicht in die Höhe gewachsen“. Schon früh müssen also die Usterlinger die Wasserrinne von Laub und Erdreich gereinigt und nachgezogen haben, damit das Wasser nicht vollständig zur Seite fließt, sonst hätte sich das Gestein nicht nach oben aufbauen können. Nik Söltl hat sogar einen „kleinen Bruder“ des Usterlinger Tufffelsens in Landshut-Schönbrunn gefunden, der unter ähnlichen Umweltbedingungen entstanden, aber sehr flach ist, weil eben niemand seit Jahrhunderten die über ihn fließende Quelle und die natürlich entstandene Rinne beeinflusst hat. Besonders schwärmt der Heimatforscher, der seit 50 Jahren in Landau lebt, von dem Schauspiel, das der Wachsende Felsen früher in kalten Wintern geboten hat: „Dann sind meterlange Eiszapfen heruntergehangen.“
Der Fels ist ein Heiligtum
Allerdings leiteten die Usterlinger später das Quellwasser in der kalten Jahreszeit um, denn es waren deutliche Frostschäden zu bemerken. Unten am Felsen ist ein deutlicher Riss in dem Tuffgestein zu entdecken. Heutzutage kümmert sich ein Naturwart des Landkreises Landau-Dingolfing dass das Wasser das Gestein im Winter nicht sprengt. „Für die Usterlinger ist der Wachsende Fels aber das zweite Heiligtum neben der Kirche geblieben“, erzählt Nik Söltl, der inzwischen die Stufen hinaufgestiegen ist, und jetzt neben der leise plätschernden Quelle oben am Hang steht, die das Gestein hat entstehen lassen. Er schätzt, dass es im Jahr etwa einen Millimeter wächst, früher ist es aufgrund anderer Umweltbedingungen und einer höheren Fließgeschwindigkeit des Wassers wohl deutlich mehr gewesen. An der Quelle haben die Einheimischen eine Kapelle gebaut, die Johannes dem Täufer geweiht ist.