Leonhardifahrten in Altbayern

Einspannen für den Segen

Rund um den 6. November kommen viele Gemeinden unter die Hufe: Die Zeit der Leonhardifahrten ist wieder da. Florian Schelle, Erster Vorsitzende des Pferdezuchtverbandes Oberbayern, spannt dann natürlich auch an.

Paradetage in Oberbayern: Die Leonhardifahrten rund um den 6. November (Bild: Sankt Michaelsbund) © Sankt Michaelsbund

Oberhaching - Florian Schelle holt gerade eine seiner Stuten aus der Box, um sie vor dem Wagen einzuspannen. Rund 20 Kaltblüter hat der Chef des Pferdezuchtverbandes Oberbayern in seinem Stall südlich von München stehen. Da ist es Ehrensache, dass er jedes Jahr mit Ross und Wagen bei Leonhardifahrten dabei ist. Aber dafür brauchts Training: „Die Gespanne sind ja kein Radl, wo ich Luft in den Reifen pumpe und sag´, da hock ´ich mich jetzt drauf und fahr los“, sagt der 60jährige Landwirt. Zwei bis bis drei Mal in der Woche fährt er mit den Tieren ein bis zwei Stunden aus. Schließlich müssen die Pferde Muskulatur aufbauen, und mit dem Fuhrmann gründlich vertraut sein, um auch bei Stress ruhig zu reagieren. Bei der berühmtesten Leonhardifahrt in Tölz ist ein steiler Anstieg zu bewältigen und bis zu 20 000 Zuschauer drängen sich dann in der Isarstadt, da muss jeder Wink an die Tiere sicher sitzen. Auch Florian Schelle ist dort mit einem 80 Jahre alten Truhenwagen dabei. Und die Pferde bekommen schon am Vortag zu spüren, dass eine Gala auf sie wartet. Da werden sie nämlich gründlich gewaschen: „Mit dem Dampfstrahler“, schmunzelt Schelle.

Vor der Gala kommt der Dampfstrahler

So geht das Saubermachen am gründlichsten und schnellsten und den Tieren gefällt es. Natürlich bekommen sie anschließend eine Decke über den Rücken gelegt und dürfen in eine zugfreie und manchmal sogar beheizte Stallbox. Dann flechten alle Mitglieder der Familie das Schweif- und Mähnenhaar zu kunstvollen Mustern und es kommen Blumen hinein. Die Krönung ist aber das Festgeschirr mit den kleinen Glocken. Sozusagen ein Pferdecollier und das hat seinen Preis. „Für einen kompletten Vierer-Zug kostet das schnell 15 000 Euro und nach oben gibt es keine Grenze“, erläutert Schelle. Gründlich eingefettet und poliert liegen diese kostbaren Schmuckstücke im Keller seines Hauses und warten darauf, den Tieren umgelegt zu werden. Das geschieht natürlich nur an Festtagen wie dem Oktoberfest-Einzug und besonders zu den Leonhardifahrten.

Jede Ausfahrt ein kleines Gebet

Wenn der Pferdezüchter zum Training einspannt, nimmt er das Werktagsgeschirr und lässt seine Rösser einen Kutschwagen durch Wald und Wiesen ziehen. Schon das ist für ihn wie eine kleine Wallfahrt oder ein Gebet, besonders im Herbst, wenn sich das Laub färbt und die Nebel aufsteigen: „Da kommt eine Ruhe im Menschen auf, des kann man sich gar nicht vorstellen. Des gibt’s nicht fürs ganze Geld auf der Welt.“ Und bei den Leonhardifahrten geht’s ihm nicht zuerst um das zugegeben schöne Spektakel, noch wichtiger ist ihm der Segen, das Zeichen, dass Gott mit Mensch und Tier verbunden ist: „Man hat oft so viel Glück und Begleitung im Leben, ohne dass man´s merkt.“ Wenn dann das Weihwasser seinen Trachtenjanker und die Pferdeleiber trifft, bekommt er eine Gänsehaut und schlägt andächtig das Kreuzzeichen. (alb)