Orden unter neuer Leitung

Franziskaner wählen queeren Provinzialminister

Bruder Markus Fuhrmann ist neuer Vorsteher der deutschen Ordensprovinz der Franziskaner. Schon vor der Wahl hat er sich als schwul geoutet. Im Interview spricht er über diese Entscheidung, die Erneuerung der Kirche und die Zukunft der Franziskaner.

Die neue Führung der Franziskaner übernimmt Bruder Markus Fuhrmann. © Franziskaner Orden

mk online: Hallo, Bruder Markus Fuhrmann, erstmal herzlichen Glückwunsch zum neuen Amt.

Bruder Markus Fuhrmann: Hallo, vielen Dank Ihnen.

Als Provinzialminister kommen einige neue Aufgaben auf Sie zu: zum Beispiel Personalfragen der Brüder, aber auch Herausforderungen wie die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch und vieles mehr. Welches Thema liegt Ihnen denn persönlich am Herzen?

Bruder Markus: Ich sehe meine Aufgabe vor allem darin, für eine Kirche, für einen Orden zu stehen, der die Frohe Botschaft Jesu Kirche lebt und der Wachstumsräume eröffnen möchte. Ich glaube, das passt gut in diesen Tagen, in dieser Zeit, in der sich Kirche, vor allem in Deutschland, neu ausrichten will. Dass wir eine Kirche sein wollen, die geschlechtergerecht ist, eine, die sich klar auf die Seite der Armen und Bedrängten stellt, und eine Kirche, die sensibel für Fragen der Sexualmoral ist. Denn so, wie diese Moral bislang offiziell gelehrt wird, dient sie nicht dem Leben. Sie muss sich verändern beziehungsweise weiterentwickeln.

Sie haben es schon angesprochen - Erneuerung in der Kirche ist ja für viele das Stichwort. Was fordern Sie denn an Änderungen?

Bruder Markus: In meiner Funktion als neuer Provinzialminister muss ich das mit meinen Mitbrüdern gemeinsam entscheiden. Als Bruder Markus stehe ich persönlich hinter den Bestrebungen des Synodalen Weges, ich bin für ein kritisches Überdenken des Zölibats in der priesterlichen Lebensform und ich bin für den Zugang für Frauen zu Weiheämtern. Ich denke, da gibt es eine ganze Reihe an Themen, denen ich zustimme. Die zahlreichen Themen, die durch die MHG-Studie deutlich geworden sind und die beim Synodalen Weg behandelt werden, sind Störungen in der Kirche, und die müssen endlich beseitigt werden.

Vor Wochen haben Sie sich als homosexuell geoutet – Ihre Mitbrüder wussten also auch vor der Wahl des Provinzialministers Bescheid. Jetzt sind Sie tatsächlich der erste geoutete Franziskanerbruder in diesem Amt. Wie fühlt sich das für Sie an?

Bruder Markus: Ja, es tat mir sehr gut, zu erfahren, dass das für die Mitbrüder sehr positiv ist, dass ich das offen angesprochen habe. Ich bekomme viel Zuspruch, und vielleicht kann dieser Funke der Wertschätzung auch auf andere Bereiche der Kirche überspringen. Ich fände das schön.

Als Ordensbruder leben Sie aber ja eh zölibatär. Warum haben Sie sich trotzdem geoutet?

Bruder Markus: Für mich persönlich war das eine Frage der eigenen Wahrhaftigkeit. Wenn ich als Ordensmann in dieser Kirche lebe und aktiv bin und auch noch Leitungsverantwortung wahrnehme, dann möchte ich auch deutlich machen können, wer ich bin und wofür ich stehe. Wenn ich selbst schwul bin, dann möchte ich zeigen, dass ich damit auch in diesem Amt Teil der Kirche sein kann. Das ist deshalb wichtig, weil das eigentlich in der Kirche so nicht sein soll. In unserer Kirche gibt es leider viel zu viel institutionelle Heuchelei. Also dass es was gibt, was es eigentlich nicht geben darf, dabei wissen alle, dass es doch da ist. Ich möchte dafür werben, das doch mal als Chance zu sehen, dass wir als Kirche bunt sind, dass die Kirche (auch) queer ist, dass das von Gott gewollt ist, dass dies der Schöpfungsvielfalt entspricht und deshalb ganz normal ist.

Seit Mittwoch sind Sie nun offiziell im Amt als neuer Provinzialminister und können somit die nächsten sechs Jahre den Franziskaner-Orden maßgeblich mitgestalten. Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Bruder Markus: Wir müssen als eine kleine Provinz, die immer älter und kleiner wird, den inneren Zusammenhalt gut wahren. Mir ist wichtig, dass die Brüder ihre Berufung gut und froh leben können. Alte Strukturen und große Häuser, die wir zum Teil noch haben, werden wir auf Dauer nicht mehr halten können; wir müssen uns verkleinern. Das ist auch eine Chance, um näher bei den Menschen zu sein und um neue Formen zu finden, wie wir heute leben können. Da steht ein großer Wandel bevor, und den möchte und muss ich nun zusammen mit den Brüdern gestalten.