Ein Tag mit einer Pflegekraft

Im Altersheim geht es um mehr als Pflege

Mira Blazevic ist Wohnbereichsleiterin im Caritas Altenheim Maria Eich. Ihr Beruf ist fordernd, anstrengend, aber auch erfüllend. Die Wärme, die sie gibt, bekommt sie von den Bewohnerinnen und Bewohnern zurück.

Ein bisschen wie Familie: Mira Blazevic (links) schaut bei der Bewohnerin Ingeborg Treinies (87) vorbei. © SMB/Kelpe

Krailing – Ihr Tag beginnt um sechs Uhr. Dann bereitet Mira Blazevic die Medikamente vor. Einige Bewohnerinnen und Bewohner brauchen sie vor dem Frühstück, einige danach. Um halb sieben beginnt die Pflege. Duschen, baden, Toilette, mobilisieren. Dann gibt es Frühstück: Das Essen muss verteilt werden, einige brauchen Unterstützung beim Essen. Während die Bewohnerinnen und Bewohner des Caritas Altenheims Maria Eich in Krailling im Anschluss Zeitung lesen, gemeinsam im Aufenthaltsraum sitzen oder fernsehen, hat sie eine kleine Pause. Es ist neun Uhr. Blazevic ist Leiterin des Wohnbereichs vier. Sie sitzt am Tisch im Aufenthaltsraum für die Mitarbeitenden.

Personal ist Familie

Früher gehörten die Gebäude zu einer Hotelanlage. Heute leben dort rund 165 Bewohnerinnen und Bewohner im Alter. Einige brauchen rund um die Uhr Betreuung. In ihrem Wohnbereich sind es zurzeit 38 Menschen, für die 14 Pflegerinnen und Pfleger, vier Mitarbeitende in der Altersbegleitung und einige Auszubildende zuständig sind. Einige der Bewohnerinnen und Bewohner sind noch rüstig, es gibt einige mit Pflegegrad fünf und einige, die palliativ versorgt werden. Viele sind dement. Es gibt Menschen mit und ohne Angehörige. „Wenn jemand keine Familie hat, dann sind wir die Familie“, sagt Blazevic. Und das meint sie wörtlich.

Einsamkeit schlimmer als Krankheit

In ihrem Beruf muss sie nicht nur Krankenschwester, Managerin, Pflegerin und Leiterin sein, sondern auch Familienersatz. Viele der Senioren seien einsam und Einsamkeit sei manchmal noch schlimmer, als krank zu sein. Vor allem während der Pandemie, in der Blazevic noch eine andere Sprache lernen musste, wenn die Mimik unter der Maske verborgen blieb: mit den Augen lachen. Das Radio läuft im Aufenthaltsraum. In der einen Ecke brodelt die Kaffeemaschine, in der anderen arbeitet der Kopierer. Zwei Kolleginnen leisten ihr Gesellschaft. Eine kümmert sich um den Kaffee, eine andere legt Semmeln, Aufschnitt und Eier auf den Tisch. Alles geht Hand in Hand, wie auch bei der Arbeit. „Auch wir sind wie eine Familie, halten zusammen und unterstützen uns gegenseitig“, sagt Blazevic.

Arbeiten ohne Pausen

Während sie sich noch Butter auf ihre Semmelhälfte schmiert, rauscht der Arzt herein. Die Medikamentenliste muss aktualisiert werden. „Es gibt bei uns keine richtige Pause. Wir sind immer auf Abruf“, sagt sie. Während der Arzt die Liste durchgeht, schaut sie ihm über die Schulter. So weiß sie genau, wer was braucht, und kann im Anschluss die Bestellungen aufgeben. Der Arzt lässt seine halbvolle Kaffeetasse stehen und muss weiter. Blazevic und ihre Kolleginnen beenden schnell das Frühstück.

Corona gehört zum Arbeitsalltag

Nun muss sie weiter zum „Blitzgespräch“, ein Update mit den anderen Wohnbereichen. Es geht in erster Linie um Corona-Maßnahmen, Impfungen, Boostern, Tests, neue Regelungen. Einige Wohnbereiche sind unter Quarantäne. Der Ausnahmezustand ist schon längst in eine Art Normalität übergegangen. Eigentlich kann die 48-Jährige nie abschalten. Sie gehe viel spazieren, sagt sie. Um den Kopf freizubekommen, der eigentlich immer voll ist. „Gestern war mein freier Tag und ich wusste, dass zwei Bewohner an dem Tag aus dem Krankenhaus zurückkommen. Ich hatte keine Ruhe.“ Trotzdem kann sie sich nicht vorstellen, etwas anderes zu machen. „Ich muss mich bewegen, ich muss nachschauen, ich muss die anderen unterstützen und muss helfen.“

Sich Zeit nehmen für Bewohner

Zwischendurch klopft sie an die Türen und schaut nach, ob bei den Bewohnerinnen und Bewohnern alles in Ordnung ist. Bis zum Mittagessen ist noch ein bisschen Zeit. Sie kniet vor einer Bewohnerin, die im Rollstuhl sitzt, streichelt ihre Hand. Jemand ruft, sie ist sofort da. Blazevic hat keine Worte dafür, sondern tut und macht und hilft. Das habe sie niemals hinterfragt. „Ich komme gerne und die Leute spüren das“, sagt sie, „Sie geben mir viel zurück.“ Sie klopft an die Tür von Ingeborg Treinies, setzt sich kurz auf das weiche Sofa in der kleinen Wohnung. Die 87-jährige Bewohnerin strickt gerade eine blaue Socke. Blazevic lehnt sich kurz zurück, nimmt Frau Treinies in den Arm und strickt auch eine Reihe. „Das habe ich von meiner Mutter gelernt“, sagt Blazevic. „Ach wirklich?“, erwidert Treinies. Beide wirken sehr vertraut miteinander. „Mira ist eine gute Seele“, sagt Treinies. Sie nehmen sich noch einmal in den Arm. Und dann muss Blazevic auch schon weiter. (Eileen Kelpe, Volontärin Sankt Michaelsbund)