Traumberuf Organist

Ein 'nerdiger' Berufswunsch mit virtuoser Klangvielfalt

Simon Müller studiert Kirchenmusik und ist ausgebildeter Orgelspieler. Auch wenn das Fach in seiner Altersgruppe nicht gerade 'hip' ist, öffnet sich ihm darin eine faszinierende Klangwelt mit ungeahnten Tiefen.

Simon Müller aus Freising ist schon seit seiner Kindheit von der Orgel fasziniert. © SMB/Kelpe

Freising – Auf die Frage, welches Buch er gerade liest, lacht er kurz. „Das ist jetzt ein bisschen nerdig“, sagt der 21-jährige. „Ich lese gerade die Bach-Biografie von Albert Schweitzer.“ Johann Sebastian Bach ist schon so etwas wie ein Idol für den Studenten Simon Müller aus Freising. Denn der große Komponist war auch ein virtuoser Organist und Orgelkenner. Im Bereich der Orgelmusik dreht sich alles um ihn. Simon Müller studiert an der Musikhochschule in München im sechsten Semester Kirchenmusik und arbeitet studienbegleitend als Assistent in der Freisinger Dommusik. Gleichzeitig weiß er, dass das Thema Kirchenmusik in seiner Altersgruppe nicht unbedingt hip ist. Aber für ihn selbst öffnet sich an der Königin der Instrumente eine Welt, die unerwartet vielseitig ist.

Musikalische Kindheit

Dass er sich für die Orgel als sein Instrument entschieden hat, kommt nicht von ungefähr. Als Kind durfte er in Freising oft auf der Empore sitzen und zuschauen, wie der damalige Dommusikdirektor Wolfgang Kiechle die Orgel bespielt hat. „Das war für mich sehr faszinierend“, sagt Simon Müller rückblickend. Die Faszination für dieses Instrument hat ihn nie wieder losgelassen. Auch in der Familie wurde stets musiziert. Seine Eltern spielen bis heute als Streicher im Freisinger Domorchester und so war die Verbindung zur Musik für Simon Müller immer schon sehr eng. An der Blockflöte hat er Noten lesen gelernt und um dem Orgelspiel näher zu kommen, führte der Weg am Klavier nicht vorbei. Vor knapp zehn Jahren begann er dann bei Wolfgang Kiechle Orgelunterricht zu nehmen. Und als er dann endlich das erste Mal im Freisinger Dom an der Orgel saß, war das ein Moment, den er nie mehr vergessen würde: „In dem Moment war ich einfach beeindruckt von den ganzen Möglichkeiten, die das Instrument zu bieten hat.“ Noch ein bisschen überfordert von der Vielfalt der Klangfarben, machte er sich Stück für Stück mit dem Domorgel vertraut.

Über Altgriechisch zum Orgelstudium

Dass aus dieser Leidenschaft irgendwann ein konkreter Berufswunsch wachsen würde, das war für den hageren jungen Mann damals noch nicht klar. 2016 machte er neben der Schule eine Ausbildung zum nebenberuflichen Kirchenmusiker, den sogenannten C-Kurs der Erzdiözese München und Freising. Doch neben der Musik interessierte er sich auch für alte Sprachen. „Ich war in Freising auf dem Domgymnasium und hatte Latein und Altgriechisch. Das fand ich sehr spannend, gerade auch die alten Texte, mit denen wir uns beschäftigt haben“, erzählt er und wirkt ein wenig versunken, wenn er von den platonischen Dialogen spricht oder Homers „Illias“, die er in Auszügen auf Altgriechisch gelesen hat. Doch irgendwie schlummerte noch die kindliche Faszination für die Orgel in ihm, die ihm dann kurz vor dem Abitur klarmachte, dass er seinen Weg mit diesem Instrument weitergehen möchte. „Mich fasziniert die Vielseitigkeit des Instruments, die Kraft und Stärke und dann wieder die Zartheit, die stilistische und klangliche Spannweite“, erzählt er und man spürt, dass in seiner Stimme, die sonst ein wenig zurückhaltend wirkt, Hingabe mitschwingt. Genau dieser Funken bewegte ihn dazu sich für den Studiengang Kirchenmusik an der Musikhochschule in München zu bewerben – mit Erfolg. 

Ein Nischenfach mit Tiefe

Sein Studiengang der Kirchenmusik ist überschaubar, was die Studentenanzahl betrifft. In seinem Jahrgang sind sie gerade mal zu fünft. In anderen Semestern könne es durchaus sein, dass nur ein Student oder eine Studentin eingeschrieben sei. „Es ist dadurch sehr familiär“, sagt er und das gebe viel Raum, sich zu entwickeln. Nach bestandener Aufnahmeprüfung, die unter anderem die künstlerische Eignung in Orgelspiel, Musiktheorie und Dirigieren beinhaltet, dauert das Bachelorstudium acht Semester. Der Studiengang ist sehr praxisorientiert und deckt fachlich ein weites Spektrum an Kompetenzen ab. Die Vielseitigkeit, die Simon Müller immer wieder betont, wird hier besonders deutlich: Orgel-Literaturspiel, Chorleitung, Kantorengesang, Orgelbaukunde, Musikgeschichte, Gehörbildung sowie Instrumentalpädagogik sind nur einige der Themen, denen er sich während des Grundstudiums widmet. Auf diese Weise setzt er sich nicht nur musikalisch, sondern auch technisch und intellektuell mit der Orgel auseinander. Ein schier unerschöpflicher Fundus. 

Der Zukunftswunsch 

Simon Müller begibt sich gern in die Tiefen der Musik- und Orgelgeschichte: „Es ist spannend, wie unterschiedlich Messordinarien oder das ‚Magnificat‘ in den unterschiedlichen Epochen vertont wurde.“ Doch ein Organist ist nicht nur ein Kopfmensch, sondern auch ein Mensch, dessen Herz für die Gemeinde schlägt, für die er in der Kirche spielen kann. „Ich spiele nicht nur für mich selbst, sondern für die Menschen. Und wenn es ihnen gefällt, dann weiß ich, dass ich die richtige Fachrichtung gewählt habe“, sagt er. Nach seinem Bachelor möchte er noch einen Master machen und dann vielleicht hauptberuflich die Orgel spielen. Was seine Zukunft betrifft, wünscht er sich, dass die Kirchenmusik in der breiten Wahrnehmung als etwas Inspirierendes und Verbindendes verstanden wird und auch so gelebt wird: „Mein Traum wäre eine Stelle, wo die Musik fest im Gemeindeleben verankert ist. Also, wo zwischen den Mitgliedern der Gemeinde ein musikalisches Leben möglich ist.“ Und dazu ein schönes Instrument, wäre natürlich auch nicht schlecht. (Eileen Kelpe, Volontärin beim Michaelsbund)