Podcast „Reisewarnung“ in Nordostindien

Ein Erzbischof als Friedensstifter und ein Pfarrer als Fabrikdirektor

Missio-Redakteur Christian Selbherr erzählt von einer Reise in die Region, die nur durch einen schmalen Korridor mit Indien verbunden ist. Dabei hat er Christen getroffen, die in ungewöhnlichen Missionen unterwegs waren.

missio-Redakteur Christian Selbherr mit Erzbischof Thomas Menamparampil, der in mindestens elf Konflikten in Nordostindien vermittelt hat. © missio/Stark

Nordostindien ist nur durch einen schmalen Korridor mit dem Rest des Landes verbunden. Die Region ist umgeben von Myanmar, China, Bhutan und Bangladesh. Als Indien 1947 unabhängig wurde, wurde „British-India“ in die Staaten Indien und Pakistan geteilt. Das heutige Bangladesh wurde zuerst Pakistan zugeteilt, 1971 wurde es selbst unabhängig. So geriet der Nordosten Indiens in diese isolierte Lage. Der missio-Redakteur Christian Selbherr hat diese Region 2019 bereist und erzählt in der neuen Folge der Reisewarnung von seinen Eindrücken.

Erzbischof als Friedensstifter

Vor allem die Begegnung mit Erzbischof Thomas Menamparampil hat ihn beeindruckt. Der Geistliche, der inzwischen weit über 80 Jahre alt ist, hat es nämlich geschafft, in mindestens 11 Stammeskonflikten für Frieden zu sorgen. Und zwar, indem er die Personen, die in der jeweiligen Konfliktpartei Respekt genießen, an einen Tisch geholt hat. Dann ließ er sich erzählen, worum die Parteien sich eigentlich streiten. „Cool down the anger“ nennt er das, also: erstmal Dampf ablassen. Wenn dann alle Konfliktpunkte auf dem Tisch lagen, musste jede Partei drei Punkte nennen, die am dringendsten gelöst werden sollten, erklärt Selbherr. „Wenn zum Beispiel um eine Dorfgrenze gekämpft wurde, dann konnte ein Lösungsansatz sein, dass die Grenzen zwar bleiben, aber alle den Brunnen benutzen dürfen.“ Schwer realisierbare Forderungen wie die Unabhängigkeit einer Region hingegen wurden hintangestellt. So hat sich der Erzbischof einen Ruf als Friedensstifter erworben. Er hat sogar ein Peace-Mission-Team aufgebaut aus Menschen, die in solchen Konflikten schnell zur Stelle waren.

Ein Pfarrer als Fabrikdirektor

Ein weiteres Thema in der aktuellen Folge ist eine Tee-Fabrik, die der Kirche gehört und in der ein Pfarrer der Direktor ist. 12.000 Menschen haben dadurch ein geregeltes Einkommen. Gegründet wurde die Fabrik, weil die Kleinbauern ihre Ernte nicht verkaufen konnten, denn die Großkonzerne hatten schon ihre Lieferanten. Heute ist der Tee aus der Region preisgekrönt, erzählt Selbherr, während er sich eine Tasse des Assam-Tees aufbrüht, den er von seiner Reise mitgebracht hat.

Streben nach einem nationalistischen Hindu-Staat

Natürlich geht es in der Folge auch um die große Politik. Unter Premierminister Narendra Modi weist Indien eine zunehmend autoritäre und demokratiegefährdende Entwicklung auf. Seine Partei will das Land zu einem nationalistischen Hindu-Staat machen. Minderheiten dürfen ihre Religion zwar qua Gesetz frei ausüben, aber paramilitärische Truppen sorgen immer wieder für Angst. „Bei unserem Besuch im Bistum Tezpur gab es Gerüchte, dass es am Nationalfeiertag zu Schwierigkeiten oder vielleicht sogar zu Anschlägen kommen könnte. Der Bischof hat überlegt, ob er zu einem lange angekündigten Gottesdienst in einem weiter entfernten Dorf fahren soll. Er ist gefahren. Aber wir durften nicht mit.“  Denn: Zwei Europäer und ein Bischof hätten möglicherweise für unnötige Aufmerksamkeit gesorgt, erklärt Selbherr weiter. Der Bischof ist unbeschadet zurückgekommen. Aber als er das Haus am Abend verließ, um in die Stadt zu gehen, trug er Kleidung, in der er nicht als katholischer Geistlicher erkannt werden konnte.

Podcast-Tipp

Reisewarnung

Für die Regionen, in die die Redakteure von missio München reisen, gibt es oft eine Reisewarnung. Da, wo der Staat nicht mehr funktioniert, sind die Netzwerke der kirchlichen Einrichtungen häufig die einzigen Anlaufstellen, die überhaupt noch da sind. In „Reisewarnung“ erzählen die missio-Redakteure was die Menschen dort bewegt – ihre Sorgen und Nöte, Krieg und Konflikt - aber auch den ganz normalen wunderbaren Alltag.

 

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