800 Jahre Portiuncula-Ablass

Ein besonderes „Teilchen“ Erde

Papst Franziskus pilgert am 4. August nach Assisi. Ziel ist die Kirche Santa Maria degli Angeli. Sie ist auch unter dem Namen „Portiuncula“ (Teilchen) bekannt. Was die Kirche so besonders macht, lesen Sie hier.

Die Portiuncula-Kapelle in der Basilika Santa Maria degli Angeli in Assisi. (Bild: imago) © imago

Assisi – Für den heiligen Franziskus war Portiuncula in der Tat ein ganz besonderes „Teilchen“ Erde. Die heute von einer großen Basilika überbaute Portiuncula-Kapelle ist der Gründungsort und das Herzsstück der franziskanischen Bewegung. Mit eigenen Händen hat Franziskus das verfallene Kirchlein wieder aufgebaut. Hier hat er seine Berufung erkannt, nach dem Vorbild der Apostel durch die Welt zu ziehen. Hier sind die ersten Brüder und später auch Klara von Assisi zu ihm gestoßen. Die Kapelle im Wald, umgeben von provisorischen Hütten, wird zum Zentrum der rasant wachsenden Brüdergemeinschaft. Zum Pfingsttreffen im Jahr 1221 belagern bereits tausende Brüder die Ebene. Portiuncula – das ist der Ort, wo Franziskus Höhen und Tiefen des Gemeinschaftslebens erfährt, wo Brüder in froher Einheit zusammenleben und wo nicht selten auch Konflikte auftreten und Versöhnung notwendig wird.

Der Mensch braucht Heimat

Bei allem Ideal von strenger Armut und Pilgerdasein, Franziskus merkt: Ein kleines Fleckchen Heimat braucht der Mensch. Er möchte gerne Portiuncula sein Eigen nennen dürfen. Für die Jahresmiete von einem Korb Fische überlassen die Benediktiner von Monte Subasio Franziskus diese für sie völlig unbedeutende Kirche. Franziskus aber schärft seinen Brüdern ein, diesen Ort niemals wieder zu verlassen: „Wenn ihr auf der einen Seite hinausgejagt werdet, geht auf der anderen wieder hinein.“

Ein Pilgerort wie Rom

Damit nicht genug. Franziskus hat in Portiuncula so viel von der Liebe Gottes und vom barmherzigem Umgang unter Brüdern erlebt, dass er diesen Schatz nicht für sich behalten möchte. Im Jahr 1216, vor genau 800 Jahren, stellt er bei Papst Honorius III. den beispiellosen und beinahe frechen Antrag, einen vollkommenen Ablass für genau dieses Kirchlein zu erhalten. Damit stellt er seine notdürftig reparierte Kapelle bedeutenden Pilgerorten in Rom, Jerusalem und Santiago de Compostela gleich. Überraschenderweise gewährt Honorius die von Franziskus, so heißt es, „ebenso demütig wie hartnäckig vorgetragene Bitte“. Allerdings knüpft er den Ablass an ein enges Zeitfenster: Nur einmal jährlich am 2. August, dem Weihetag der Kirche, soll dieser Ablass gewährt werden. Später wurde der „Portiuncula-Ablass“ auf alle Kirchen des Ordens erweitert und gilt bis heute – also etwa auch in St. Anna oder St. Anton in München.

Ablass im Jahr der Barmherzigkeit

800 Jahre Portiuncula-Ablass und das 500-jährige Gedenken der Reformation, für die nicht zuletzt der später sinnentfremdete Ablasshandel ein Auslöser war, scheinen gefährlich nah beieinanderzuliegen. Wenn der Papst nächste Woche nach Assisi reist, wird ihm weniger dieser Bezug vor Augen stehen als vielmehr die Verbindung zum Jahr der Barmherzigkeit. Papst Franziskus wird es nicht versäumen, bei dieser Gelegenheit darauf hinzuweisen, wie die Barmherzigkeit Gottes in Geschichte und Gegenwart greifbar wird, zu Beginn der franziskanischen Bewegung und seitdem jährlich am 2. August für viele Katholiken weltweit.

Für Franz von Assisi jedenfalls war klar, dass die Erfahrungen von Portiuncula, die Erfahrung von Vergebung und Versöhnung nicht mit Geld, Gold oder irgendetwas anderem auf der Welt aufzuwiegen wären. Insofern wird Papst Franziskus froh sein, dass sein Vorgänger vor 800 Jahren dem außergewöhnlichen Wunsch seines geistlichen Vorbilds und Namenspatrons entsprochen hat. (Stefan Walser)

Bruder Stefan Walser (Bild: privat)

Bruder Stefan Walser ist Autor des Textes. Er ist ist Kapuziner und Kaplan im Pfarrverband Isarvorstadt in München. Die Kapuziner gehören neben den Franziskanern und den Minoriten zu den franziskanischen Orden.

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