Homosexuelle Partnerschaften

"Die Haltung der Kirche bleibt ambivalent"

Der Papst spricht sich aktuell für eingetragene Partnerschaften homosexueller Paare aus. Wie diese Haltung beim Verein "Homosexuelle und Kirche" (HuK) ankommt, lesen Sie hier.

Dr. Michael Brinkschröder wohnt in München und arbeitet als Religionslehrer. © privat

München - Laut einem Bericht der Katholischen Nachrichtenagentur (KNA) sagt Papst Franziskus in einem neuen Dokumentarfilm: "Homosexuelle haben das Recht, in einer Familie zu leben." Sie seien Kinder Gottes. "Was wir benötigen, ist ein Gesetz, das eine zivile Partnerschaft ermöglicht." Betroffene sollten rechtlich abgesichert sein. Dafür habe er sich auch eingesetzt.

Im Interview mit mk online erklärt Michael Brinkschröder von der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) e.V., warum er die Worte des Pontifex für bemerkenswert hält.

mk online: Herr Brinkschröder, wie bewerten Sie die Aussagen von Papst Franziskus und inwiefern haben diese für Sie einen Neuigkeitswert?

Michael Brinkschröder: Dass sich Jorge Bergoglio in seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires für zivile Partnerschaften eingesetzt hat, ist bekannt, seit er Papst geworden ist. Aber als Papst hat er sich bislang noch nie so klar zu diesem Thema geäußert. Bemerkenswert ist daran, dass er damit die frühere Positionierung durch die von Joseph Ratzinger geleitete Glaubenskongegration verlässt. Damals wurden sogar Politiker, die sich für die Eingetragene Partnerschaft einsetzten, mit der Exkommunikation bedroht.

Ich sehe in der Stellungnahme auch eine stringentere Unterstützung der Menschenrechte von Lesben und Schwulen, denen der Papst das Recht auf eine Partnerschaft und auf eine Familie zuspricht. In der Frage der Menschenrechte von Lesben und Schwulen war die katholische Kirche bislang sehr inkonsequent.

Glaube Sie, dass den Worten des Papstes eine größere Wertschätzung von homosexuellen Paaren durch die Kirche folgen wird?

Brinkschröder: Ja, ich denke, dass Franziskus durch die Autorität, die er als Papst hat, viele gläubige Katholikinnen und Katholiken beeinflussen wird. Bislang hat er immer wieder Zeichen gesetzt, was die Seelsorge für LSBTI-Personen (lesbisch, schwul, bisexuell, transgender, intergeschlechtlich - Anm. d. Red.) betrifft. Jetzt hat er sich auch für die Anerkennung ihrer Rechte in der Gesellschaft ausgesprochen. Es fehlt allerdings immer noch der entscheidende Schritt, dass auch die moraltheologische Bewertung homosexueller Handlungen im Lichte des humanwissenschaftlichen Wissensstandes revidiert wird. Solange das nicht geschieht, bleibt die Haltung der katholischen Kirche ambivalent.

Michael Brinkschröder


Michael Brinkschröder ist ein katholischer Theologe und promovierter Soziologe. Er wohnt in München und arbeitet als Religionslehrer an einer Berufsschule. Brinkschröder leitet den Arbeitskreis Katholische Kirchenpolitik der "Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) e.V." und ist Sprecher des "Katholischen LSBT+ Komitees", das sich für Veränderungen in der katholischen Kirche einsetzt. Von 2011 bis 2015 war er Co-Präsident des "European Forum of LGBT Christian Groups" und ist einer der Gründer des "Global Network of Rainbow Catholics". In München engagiert er sich für den Queergottesdienst in St. Paul und im Arbeitskreis Regenbogenpastoral der Erzdiözese München und Freising.

Eine kirchliche Ehe können für den Papst weiterhin nur Mann und Frau schließen. Haben Sie noch Hoffnung, dass eine kirchliche Eheschließung mittelfristig auch homosexuellen Paaren offen steht?

Brinkschröder: Gegenwärtig diskutieren wir in Deutschland intensiv die Frage der Segnungsfeiern für gleichgeschlechtliche Paare. Ich hoffe, dass der Synodale Weg diese bejaht und dann Bischöfe solche Segnungsfeiern auch offiziell ermöglichen. Dabei stellt sich die Frage, ob es solche Segnungsfeiern nur dann geben kann, wenn zuerst die moraltheologische Lehre verändert worden ist - was weltkirchlich noch viele Jahre dauern kann - oder ob es solche Segnungsfeiern im Sinne einer pastoralen Begleitung auch ohne Änderung der Lehre geben kann. Indem sich Papst Franziskus für die gesetzliche Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften ausspricht, gibt er ein Signal, dass die zweite Variante auch im Hinblick auf kirchliche Segnungsfeiern möglich ist.

Eine ernsthafte theologische Auseinandersetzung mit der Frage, ob das Ehesakrament auch für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet werden kann, hat nach meiner Wahrnehmung noch gar nicht begonnen. Erst wenn es hier solide theologische Vorarbeiten gibt, kann es möglich werden, dass die Kirche sich mit dieser Frage ernsthaft auseinandersetzt. Mittelfristig heißt also frühestens in 15 bis 20 Jahren. Bis dahin kann aber die Segnungsfeier hoffentlich ein Zeichen der Anerkennung eigener Art sein.

Was hat sich allgemein und für Sie persönlich unter Papst Franziskus im Hinblick auf homosexuelle Katholiken in der Kirche geändert?

Brinkschröder: Für mich hat mit Papst Franziskus das Ende der Eiszeit eingesetzt. Er hat nicht mehr die gesamte Macht des Papstes dafür eingesetzt, das Thema zu unterdrücken wie es Papst Benedikt XVI. getan hat, sondern das Feld der Pastoral und Seelsorge eröffnet, wo etwas für die Inklusion von LSBTI-Personen getan werden kann und soll. Dass es in München einen Arbeitskreis Regenbogenpastoral gibt, wäre ohne Papst Franziskus auch undenkbar. Für mich persönlich bedeutet es beispielsweise, dass ich mich als Religionslehrer bei meinen Schülern outen kann und davon erzählen kann, wofür ich mich engagiere. Es hat auch dazu geführt, dass immer weniger Mitarbeiter der Kirche Angst haben müssen, ihre Stelle zu verlieren, wenn sie sich outen, verpartnern oder gleichgeschlechtlich heiraten, auch wenn wir beim kirchlichen Arbeitsrecht noch nicht am Ziel aller Wünsche angelangt sind.

Der Autor
Klaus Schlaug
Online-Redaktion
k.schlaug@michaelsbund.de

Dieser Artikel gehört zum Schwerpunkt Kirche und Sexualität