München - Licht am Ende des Tunnels. In einem sich zum Licht hin öffnenden, perspektivisch sich verjüngenden Kastenraum wird das Numinose barock theatralisch inszeniert: Diffuses Seitenlicht fällt von Osten beinahe körperhaft in den Kirchenraum von St. Nikolaus. Eine weitere Lichtöffnung im Zenith durchströmt geheimnisvoll den Altarraum, einen weiß getünchten Lichtraum mit leicht schrägen Wänden, der Ruhe und Kraft ausstrahlt und Romano Guardinis Vorstellung erahnen lässt: „In der Stille ist Gott.“ Die Quelle des Lichts bleibt dabei unsichtbar. Dem Münchner Architekten Andreas Meck sind schon viele große Würfe gelungen. Einer davon ist sicher das Kirchenzentrum St. Nikolaus an der Peripherie der Stadt auf der grünen Wiese von Neuried. Für den im Oktober 2008 von Erzbischof Reinhard Marx geweihten katholischen Kirchenneubau, dessen gesamte Fassadenaußenhaut in dem nachhaltigen Baumaterial hart gebrannter, lebendiger Ziegeln aus Norddeutschland in den Farben Rot bis Blau leuchtet, gab es nicht nur viele Preise.
Er war auch der Startschuss für eine Reihe weiterer bedeutender Sakralräume, die der Bildhauerarchitekt mit Herzblut nach dem menschlichen Maß der Hand geschaffen hat. Beispielsweise das Dominikuszentrum an der Nordheide oder die Aussegnungshalle in Riem. „Der Kirchenbau hat ganz spezielle Herausforderungen, auch Unsicherheiten. Es ist schwieriger, einen Raum mit weichen Faktoren wie der sakralen Stimmung zu generieren als einen Raum mit klarem Funktionsprogramm zu gestalten“, so Meck. „Wir versuchen, Kirchen weniger aus dem Typus als vielmehr aus der Aufgabe heraus zu entwickeln“, sagt der 55-Jährige, der seinen Räumen stets eine besondere Atmosphäre und Ausdruck verleiht und dabei die essentiellen Dinge nicht aus den Augen verliert. „Die Architektur“, so Meck, „ist eine ernsthafte Angelegenheit und hat sehr viel damit zu tun, sich mit der Aufgabe vor Ort auseinanderzusetzen.“
Sein Studium der Architektur an der Technischen Universität München war eine Entscheidung für eine breit angelegte Ausbildung. Meck gehört zum ersten Jahrgang der an bayerischen Gymnasien 1979 eingeführten Kollegstufe. Mit der Fächerkombination Deutsch, Geschichte, Physik und Kunst deckte der Sohn eines Elektroingenieurs seine breit gefächerten Interessen ab. Aus der Schwierigkeit, sich nach dem Abitur für eines dieser Fächer zu entscheiden, entstand die Idee, Architektur zu studieren. Ein Stipendium ermöglichte Meck einen Aufenthalt in London, wo er nach seinem Diplomabschluss 1985 in München an der weltweit renommierten Architectural Association School of Architecture seine Fachkenntnisse vertiefen konnte. Für sein Gesamtwerk wurde er jüngst mit dem renommierten Architekturpreis der Stadt München ausgezeichnet – einem Preis, der alle drei Jahre vergeben wird und den vor ihm Architekten mit klingenden Namen wie Günter Behnisch, Günther Grzimek, Sep Ruf, Alexander Freiherr von Branca, Kurt Ackermann oder Peter von Seidlein erhalten haben.
Wer jetzt denkt, dass sich der gebürtige Münchner nun verdientermaßen gemütlich zurücklehnt, sich frühzeitig aufs Altenteil verlegt, hat weit gefehlt. Der Architekturexperte berät Städte und Gemeinden, nimmt an Preisgerichten teil, konkurriert selbst in vielen Wettbewerben und widmet sich neben seiner Büroarbeit mit großem Engagement der Lehre. Als Dekan der Architekturfakultät der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in München versucht er, seinen Architekturstudenten die Qualität des Zeitlosen näher zu bringen. Zu einem seiner derzeit vielversprechenden Bauprojekte zählt die Kirche Seliger Rupert Mayer mit Pfarrhaus in Poing. Wieder ein Bauwerk mit skulpturaler Kraft bis hinein in die weißen, wie ein Fraktal des Gesamtbaus wirkenden Keramikdachziegeln. Aber es geht im Büro Meck Ar- chitekten mit einem Mitarbeiterstab von gut einem Dutzend Leuten nicht nur um Sakralbauten. Neben dem Bundeswehr-Ehrenmal in Berlin, Heustadlsuiten in Österreich, innovativen Wohnhäusern an der Lothringer Straße, luxuriösen Einfamilienhäusern am Englischen Garten entstehen auch mal schmälere Häuser für den schmäleren Geldbeutel. Quasi: „Ein Haus wie ein Haus, einfach und komplex, außen körperhaft und schwarz, innen differenzierte Höhen und Belichtungssituationen. Der Grundriss lebt vom Spannungsfeld zwischen Großraum und Zelle. (…) Ein Haus mit Haltung. Mit Respekt behandelt will es sein“, so Meck.
Wer das kleine Gartenhaus Nummer 39 hinter der unter Denkmalschutz stehenden Häuserfront an der geschichtsträchtigen Kellerstraße aufsucht, um dem Architekten am Ort der Kreativität über die Schulter zu schauen, passiert zuerst einmal einen Kinderspielplatz und geht eine knarzende, hölzerne Treppe hinauf in den zweiten Stock, wo man vom Hausherrn freundlich mit Kaffee empfangen wird. Im weiteren Gespräch wird klar, dass Meck zweifellos ein Stararchitekt ist, der im derzeitigen Baunetz-Ranking bayernweit den zweiten Platz einnimmt, der aber Gott sei dank Mensch geblieben ist, bescheiden, ohne Starallüren und Sensationsgier. Dass er auch ein Gespür für Zeitdokumente hat, konnte er am Beispiel des neubarocken, denkmalgeschützten Pacelli-Palais beweisen, das mit wenigen Neuerungen behutsam restauriert wurde. Womit wir beim Thema Nachhaltigkeit wären. Meck: „Als Architekt muss man sich auch mal zurücknehmen. Es macht auch Sinn, darüber nachzudenken, ob überhaupt so viele Gebäude abgerissen werden müssen, die Geschichte und Qualität besitzen, die neue Gebäude erst erzeugen müssen.“ (Angelika Irgens-Defregger)