Erzbischöfliches Ordinariat München

Die ersten 168 Tage

Seit April leitet Andrea Thiele das Ressorts Caritas und Beratung im Erzbischöflichen Ordinariat. Im Interview erzählt sie von ihren ersten Monaten im Amt während der Corona-Krise und die Ziele, die sie sich gesetzt hat.

Andrea Thiele, 52, ist seit dem 1. April kommissarische Leiterin des Caritas-Ressorts im EOM. © Marcus Schlaf

mk online: Frau Thiele, seit dem 1. April sind Sie die kommissarische Leiterin des Ressorts 6 für Caritas und Beratung im Erzbischöflichen Ordinariat München (EOM). Den Start in das Amt hätten Sie sich sicher anders gewünscht, als er mit Corona dann kam?

Andrea Thiele: Eigentlich wollte ich viele Termine machen und die vielen Menschen und Gremien kennenlernen. Treffen konnte man sich dann aber nicht. Auch meine erste Ordinariatskonferenz, das wöchentliche Treffen der Ressortleiter, der Amtschefin und des Generalvikars im Ordinariat, musste telefonisch stattfinden. Darüber hinaus sitze ich als Ressortleitung auch in diversen Aufsichtsräten der katholischen Verbände und Träger, die sich aber ebenfalls nicht treffen konnten. Das hat den Einstieg schon kompliziert gemacht.

Gerade weil die sozialen Einrichtungen und Verbände in dieser Zeit auch besonders gefordert waren?

Thiele: So war es zum Beispiel bei vielen unserer Beratungsdienste wie etwa der Münchner Insel oder der Telefonseelsorge, die ihr Angebot in dieser Zeit sogar noch hochgefahren hat und unter anderem auch neue Außenstellen in Poing und Tutzing eröffnet hat. So war es möglich eine zuverlässige 24-stündige Beratung zu gewährleisten. Wir wissen noch nicht genau, wie sich Corona da auf die Zahlen ausgewirkt hat, aber damit man eine Vorstellung von den Dimensionen bekommt, hilft vielleicht ein Blick auf das vergangene Jahr. Damals haben mehr als 33.000 Anrufer Hilfe bei der Telefonseelsorge gesucht.

Was waren dabei die größten Herausforderungen?

Thiele: Man konnte auf keine Vorerfahrungen zurückgreifen, sondern hat einfach nur nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, ohne zu wissen, ob das richtig ist. Zugleich hat es an Masken und Desinfektionsmittel gefehlt. In den systemrelevanten Berufen ist es außerdem nicht möglich, die Mitarbeiter einfach ins Homeoffice zu schicken. Manche der Beschäftigten haben aber Vorerkrankungen und trotz entstehender Ängste musste man da die Teams zusammenhalten. Denn die Menschen werden am Menschen gebraucht. Jetzt kann ich sagen, dass alle, egal ob in den Altenheimen, in den Behinderteneinrichtungen, im Obdachlosenbereich, der Schwangerenberatung oder im Asylbereich, Hervorragendes geleistet haben. Man hat sich gegenseitig unterstützt und auch personell ausgeholfen. Da war ein richtiges Zusammenrücken der Verbände zu spüren. Aber es ist und bleibt eine Herausforderung und ich danke allen, die sich gemeinsam bemühen, die Krise zu bewältigen.

Ihre Vorgängerin als Ressortleiterin, Elke Hümmeler, hat als erste weibliche Ordinariatsrätin in einer bayerischen Diözese Pionierarbeit für Frauen geleistet. Wie wollen Sie diese Entwicklung fortsetzen?

Thiele: Gerade in der Care-Diskussion und der Frage, wie wir Familien, Berufsleben und ehrenamtliche Tätigkeiten gestalten, gibt es noch viel Luft nach oben. Besonders in der Coronakrise hat man das gerade in den Aufgabenbereichen meines Ressorts gesehen. Dort arbeiten immerhin etwa 140 Angestellte und in den Verbänden und Einrichtungen sind es sogar weit mehr als 20.000. Da haben wir natürlich auch Mitarbeiterinnen, die mit zwei oder drei kleinen Kindern im Homeoffice waren. Da hatten die Spielplätze zu, man hat in München in einer kleinen Wohnung keine Betreuungsmöglichkeiten und dann sind noch beide Eltern im Homeoffice. Aber als Mutter von zwei Kindern ist es, glaube ich, mein Vorteil, zu wissen, was da alles eine Rolle spielt. Ich weiß, wie schwierig das ist und ich denke, ich kann deshalb auch gut mit Frauen, die Teilzeit arbeiten, umgehen und sie fördern.

Was halten Sie von einer Frauenquote im caritativen Bereich?

Thiele: Das gilt es zu überlegen. Das Ordinariat zum Beispiel wird mit Amtschefin und Generalvikar von einer Doppelspitze geleitet. Außerdem werden drei von sieben Ressorts von Frauen geführt. Da ist die Erzdiözese schon sehr gut unterwegs. Tatsächlich gibt es in Deutschland aber wenige Caritas-Direktorinnen und auch einige Aufsichtsräte, in denen nur Männer sitzen, obwohl die entsprechenden Sozialverbände teilweise sogar mehr Frauen abbilden. Das muss sich ändern! Konkret bin ich gerade dabei, für zwei Verbände gemeinsam mit meinen Aufsichtsratskollegen nach kompetenten Frauen zu suchen, die dort in diese Gremien gehen wollen. Es ist aber gar nicht so leicht, Kandidatinnen zu finden, die das in ihrer Freizeit noch als Ehrenamt machen können.

Ihre Amtszeit als kommissarische Ressortleitung ist zunächst auf zwei Jahre angelegt, wie fällt ihre Bilanz nach dem ersten halben Jahr aus?

Thiele: Ich bereue es auf alle Fälle nicht, dass ich die Stelle übernommen habe. Ich habe ein tolles Team aus Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, auf die ich mich verlassen kann und ich finde es unheimlich spannend mitzusteuern, wie es mit den Verbänden weitergeht. Jetzt stehen gerade die Haushaltsverhandlungen an und die Frage danach, welche Projekte wir fördern wollen. Ich hätte mir zwar einen Einstieg ohne Corona gewünscht, aber jetzt ist es nun mal so. Es gibt den Satz „Probleme sind Chancen in Arbeitskleidung“ und ich finde einfach, da muss man die Arbeitskleidung anziehen, anpacken und dann wird das schon.

Ressort 6 - Caritas und Beratung


Das Ressort 6 ist für die Beratungseinrichtungen in Trägerschaft der Erzdiözese München und Freising und die katholischen sozialen Träger, insbesondere den Caritasverband der Erzdiözese München und Freising e. V. und die sozialen Fachverbände, zuständig. Es vertritt den Dienst am Menschen, wie er sich in kirchlicher Caritas und Beratung vollzieht, im Erzbischöflichen Ordinariat München. Als Verwaltungseinheit des Erzbischöflichen Ordinariats München nimmt das Ressort 6 den bischöflichen Auftrag zur Begleitung, Aufsicht und Steuerung des genannten Bereichs wahr. Es ist ebenso Dienstleister für die katholischen Verbände und beratenden Einrichtungen. Kirchliche Hilfsfonds, konkrete Hilfsangebote für Menschen in Not und der Lebensschutz gehören ebenfalls zu den Arbeitsfeldern.

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Ressortchefin Andrea Thiele erlebte während Corona, wie die sozialen Verbände enger zusammenrückten. Durchgestanden sei die Krise aber nicht.

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Der Redakteur und Moderator
Korbinian Bauer
Münchner Kirchenradio
k.bauer@michaelsbund.de