Dormitio-Abtei Jerusalem

Deutscher Benediktinerpater ist Helfer für Israels Illegale

Wegen Corona war Pater Nikodemus Schnabel rund eineinhalb Jahren nicht in seinem Heimatkloster. Doch dort wartet nun eine neue, herausfordernde Aufgabe auf ihn.

Pater Nikodemus Schnabel © KNA

München - Der Mann im schwarzen Benediktinerhabit aus der Dormitio-Abtei auf dem Jerusalemer Zionsberg war seit rund eineinhalb Jahren nicht mehr im Heiligen Land. Gleich zu Beginn des Gesprächs sorgt Pater Nikodemus Schnabel damit für Erstaunen. Nach einer fast einjährigen Hospitanz im Auswärtigen Amt in Berlin, als Berater in Religionsfragen, war der 42-Jährige nur noch einmal in seinem Heimatkloster. Dort erfuhr er, dass er noch enger mit dem Lateinischen Patriarchat in Jerusalem zusammenarbeiten soll. Die Amtssprache des Patriarchats, einer Art Bistum, das sich über Israel, die Palästinensergebiete, Jordanien und Zypern erstreckt, ist Französisch. Um seine Sprachkenntnisse aufzubessern, hielt sich Pater Nikodemus Anfang 2020 in einem belgischen Benediktinerkloster auf. Weil unmittelbar zu Beginn der ersten Corona-Welle auch ein Mitbruder aus Bergamo eintraf, kam das Kloster unter strenge Quarantäne. Pater Nikodemus durfte viel länger Französisch lernen, als er erwartet hatte. Und er hatte auch Zeit, aus der Ferne eine andere Aufgabe vorzubereiten.

Besuch in München

Die Dormitio-Abtei verantwortet das weithin bekannte und einzigartige theologische Studienjahr Jerusalem für deutschsprachige Studenten. Aufgrund der Covid-19-Pandemie verlegten es die Benediktiner 2020/21 erstmals an ihre Hochschule in der römischen Abtei Sant’Anselmo. Der Ostkirchen-Experte, der über sein Fachgebiet auch selbst Vorlesungen hält, hilft dort immer noch, den Studienbetrieb zu managen. Wegen einer medizinischen Behandlung ist Pater Nikodemus aber gerade in seiner früheren Studienstadt München, wo er fast immer im katholischen Medienhaus Sankt Michaelsbund und bei der Münchner Kirchenzeitung vorbeischaut.

Eine neue Aufgabe

„Für die Schleifen, die ich in den vergangenen Jahren ziehen durfte, bin ich jetzt eigentlich dankbar“, sagt der Mönch. Die vielen Begegnungen während der Zeit im Auswärtigen Amt, aber auch die in der Quarantäne gesammelten geistlichen Kräfte sollen ihm bei seiner neuen Aufgabe helfen, die er demnächst „daheim im Heiligen Land“ antritt. Die kennt er erst seit ein paar Wochen genau. Der Benediktiner wird neben seiner Arbeit für die Abtei „Patriarchalvikar des Lateinischen Patriarchats für Migranten und Asylsuchende“. In Israel leben sie oft nur heimlich. „Das sind einerseits viele katholische Frauen aus den Philippinen, Sri Lanka oder Indien, die in der Region arbeiten“, erklärt Pater Nikodemus. „Zum Teil tun sie das legal, aber eben auch illegal.“ Zu seinen Schützlingen gehören aber auch viele christliche Flüchtlinge aus Eritrea, Äthiopien oder dem Sudan. „Im staatlichen Amtsjargon heißen sie wirklich Infiltranten.“ Ebenso wird er sich um ukrainische Katholiken kümmern, die mit einem Touristen-Visum eingereist sind, aber dann auf Baustellen arbeiten, natürlich ohne bei den Behörden gemeldet zu sein.

Menschen in der Illegalität Israels

Schätzungen gehen von mindestens 100.000 Männern und Frauen aus, die im kleinen Israel ohne amtliche Genehmigung leben, es könnten aber auch mehr sein. „Das heißt: Ein Großteil meines Vikariats sind Menschen in der Illegalität, die es offiziell gar nicht gibt, und die Jobs machen, die sonst keiner machen will.“ Der lateinische Patriarch Pierbattista Pizzaballa hat Pater Nikodemus beauftragt, sie wenigstens notdürftig zu versorgen und ihnen zur Seite zu stehen. „Wenn zum Beispiel eine Filipina einen alten Menschen versorgt, der dann stirbt, erlöschen Arbeits- und Aufenthaltsgenehmigung.“ Oft sind deren Familien von diesem Auslandseinkommen abhängig. Da hofft Pater Nikodemus mit den Behörden einen Ausweg zu finden. Angehörige setzen diese Pflegekräfte zudem immer wieder unter Druck. Sind sie nicht zufrieden, können sie das Beschäftigungsverhältnis einfach aufkündigen und die Migranten stehen hilflos da. „Besonders Frauen werden mit dieser Drohung oft von Männern erpresst, um ihnen gefügig zu sein.“

"Seit 18 Monaten halten wir die Luft an"

Der Benediktiner weiß um die Brisanz seiner neuen Aufgabe: „Wir reden von dem Elend des 21. Jahrhunderts, vor dem wir überall aktiv die Augen verschließen, wir reden von den Ausgebeuteten, die dieselbe Taufe haben wie ich, Schwestern und Brüder sind.“ Dass sie im durch Corona- und Wirtschafts-Krise schwer gebeutelten Israel nicht willkommen sind, weiß der Patriarchalvikar im Benediktinerhabit natürlich auch, obwohl er eineinhalb Jahre nicht im Land war. Pater Nikodemus kennt die Probleme aus seiner eigenen Abtei, mit der er selbstverständlich immer enge Verbindung gehalten hat. Die finanziellen Einbußen durch den darniederliegenden Tourismus sind groß: „Das Heilige Land braucht die Pilger wie die Luft zum Atmen, und seit 18 Monaten halten wir die Luft an.“ Besonders die einheimischen Christen, die oft als Fremdenführer, Busfahrer oder Souvenirverkäufer leben, spüren die Einschnitte gewaltig und die soziale Absicherung ist gering. Auch die Dormitio-Abtei hat ihren Devotionalienladen und die zugehörige Cafeteria geschlossen, berichtet der Mönch. So weit und so lange es geht, versucht das Kloster seine weltlichen Angestellten in Lohn und Brot zu halten.

Deutsche sollten dankbar sein

Wenn er in München oder Berlin ist, wundert sich der Ordensmann deswegen immer wieder. Da kann der sonst so besonnene Benediktiner auch leidenschaftlich werden. „Ich höre Deutsche oft klagen und über die Politik schimpfen, die sollten stattdessen dankbar sein, dass sie in diesem System und Sozialstaat leben dürfen.“ Vielen täte es gut, „da öfter über den Tellerrand zu sehen“. Obwohl er auch gleich einschränkt und die große Unterstützung lobt, die das Heilige Land aus seiner alten Heimat erfährt. In seiner Zeit im Auswärtigen Amt habe er eben gelernt „noch diplomatischer zu sein“. Eine Fähigkeit, die er in seiner neuen Aufgabe als „Patriarchalvikar des Lateinischen Patriarchats für Migranten und Asylsuchende“ oft brauchen wird.

 

Buchtipp

#FragEinenMönch - 100 Fragen (und unzensierte Antworten)

Als im Dezember 2019 das YouTube-Video #FragEinenMönch erschien, in dem der Benediktiner Nikodemus Schnabel auf vorher gesammelte Fragen zum Leben als Mönch antwortete, war das Echo begeistert: Ein Mönch und Katholik, der offen, ehrlich und reflektiert auch auf schwierige und persönliche Fragen eingeht und einen klaren Standpunkt vertritt! Und dass, ohne andere zu verurteilen oder ihnen seine Meinung aufzudrücken. Allgemeines Credo der über 1 Million Zuschauer: "Mit dem würde ich gern mal ein Bier trinken und über Gott und die Welt reden!" und: "Wenn mehr Menschen in der Kirche so wären, würde ich vielleicht wieder eintreten!"- Was tragt ihr eigentlich unter der Kutte?- Glaubst du wirklich alles, was in der Bibel steht?- Vermisst du manchmal dein altes Leben und die Freiheiten?- Habt ihr im Kloster W-LAN?In diesem Buch greift Nikodemus diese und noch viele weitere Fragen auf, die in den viel zu kurzen 15 Minuten des Videos nicht zur Sprache kamen. Mit festem Glauben, einem weiten Horizont und jeder Menge Humor.

18 € inkl. MwSt.

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Der Autor
Alois Bierl
Chefreporter Sankt Michaelsbund
a.bierl@michaelsbund.de