Jahresbericht RIAS

Deutlich mehr antisemitische Vorfälle in Bayern

82 Prozent mehr antisemitische Vorfälle verzeichnet die Meldestelle RIAS Bayern für das Jahr 2021 im Vergleich zum Jahr davor. Viele stehen im Zusammenhang mit Protesten gegen Corona-Schutzmaßnahmen.

Die Corona-Pandemie hat den Antisemitismus in Deutschland verändert. © IMAGO/MedienServiceMüller

Zum dritten Mal in Folge verzeichnet die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) Bayern mehr judenfeindliche Vorfälle. 2021 seien 447 Fälle im Freistaat dokumentiert worden. Das entspreche einem Zuwachs von 82 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie aus dem am Montag im "Münchner Presseclub" vorgestellten Jahresbericht hervorgeht.

Den Erhebungen nach wurden im vergangenen Jahr 3 Angriffe, 15 Bedrohungen, 21 gezielte Sachbeschädigungen, 32 Massenzuschriften und 376 Fälle mit "verletzendem Verhalten" verzeichnet. In diese Kategorie fielen antisemitische Vorfälle, die oft keinen Strafbestand erfüllten. Ein besonders starkes Wachstum von 45 auf 155 Fällen habe es im Online-Bereich gegeben.

Viele Vorfälle im Zusammenhang mit Pandemie

"Bei den Vorfälle lassen sich drei Schwerpunktthemen festmachen", sagte RIAS-Bayern-Leiterin Annette Seidel-Arpaci: anhaltende Proteste gegen die Corona-Schutzmaßnahmen, eine israelfeindliche Mobilisierung in der Bevölkerung sowie antisemitische Direktnachrichten im Internet. In 148 gemeldeten Fällen sei ein Bezug zur Pandemie festgestellt worden. Darunter falle das Verbreiten von judenfeindlichen Parolen auf Versammlungen, aber auch Rassismus auf der Straße. Immer wieder seien auf Häuserfassaden oder Stromkästen Verschwörungsmythen wie "Juden stecken hinter Corona" zu lesen gewesen.

"Die Erfassung bringt das ganze Ausmaß an die Oberfläche, auch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze", kommentierte Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) die Zahlen. Sie zeigten, dass Jüdinnen und Juden verstärkt angegriffen würden; nicht nur an den Rändern der Gesellschaft. Vor allem die Pandemie habe bei vielen Menschen die antisemitische Haltung verstärkt. "Wenn sie mit der Verfolgung von Jüdinnen und Juden in Einklang gebracht wird, ist das für mich unerträglich", sagte Scharf.

Antisemitismus - Bedrohung für die Demokratie

"Jeder einzelne von uns, muss dafür aufstehen und klar machen, dass eine rote Linie überschritten ist", erklärte die Ministerin. Antisemitismus sei eine Bedrohung für die Demokratie. Vor allem bei jungen Menschen sei gefährlichem Verschwörungsdenken entgegenzuwirken. Der Leiter der Geschäftsstelle des bayerischen Antisemitismus-Beauftragten, Ulrich Fritz, plädierte dafür, sich im Schulunterricht nicht nur auf die Schoah zu konzentrieren. Nötig sei auch Aufklärung und Wissensvermittlung über Israel, darunter falle etwa der Nahost-Konflikt.

"Wir werden das Krebsgeschwür des Antisemitismus nur mit einer Bildungsoffensive und harter Strafverfolgung in den Griff kriegen", kommentierte die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland (ORD) am selben Tag die Zahlen in München. Sie dokumentierten, dass Antisemitismus und Hass auf Israel zu einem Alltagsphänomen geworden seien. (kna)