Kunstaktion

Deshalb stehen weiße Koffer in der Münchner Innenstadt

Wie kurz abgestellt stehen die Koffer da. Es wirkt so, als kommt gleich jemand und nimmt sie mit. Doch es wird niemand kommen. An den Griffen hängen Schilder mit Namen ihrer Besitzer. Es sind die Namen von Toten.

Die weißen Koffer erinnen an Opfer des Nationalsozialismus. (Bild: Sankt Michaelsbund/Sichla) © Sankt Michaelsbund/Sichla

München – Julius Lindner, Fanny Ehrmann, Anna Rosenhain – das sind ein paar der Namen, die auf den Schildern stehen, die an den weißen Koffern hängen. Seit dieser Woche stehen sie vor vier Wohnhäusern in München-Maxvorstadt und vor der evangelischen Markuskirche an der Gabelsbergerstraße. Der Künstler Wolfram Kastner hat sie zusammen mit einem Team aus Historikern und Interessierten dort aufgestellt. Die Koffer sollen an die ehemaligen jüdischen Bewohner erinnern, die vor dem Nazi-Regime fliehen mussten oder in ein Konzentrationslager deportiert und ermordet wurden. Die Opfer durften einen Koffer von maximal 30 Kilogramm mitnehmen, so Kastner im Interview mit den Münchner Kirchennachrichten. Mit den Koffern sollte etwas geschaffen werden, was im öffentlichen Raum auffällt.

Geheimnis des Erinnerns

Die Koffer sind weiß. Durch die Farbe würden sich die Gegenstände vom „unauffälligen Sperrmüll“ abheben, so Kastner. Außerdem stände die Farbe für Trauer und Unschuld. Anders als bei einem Buch oder einem Dokumentationszentrum kommt bei der Kunstaktion die Geschichte einem entgegen. Man müsse nicht suchen, so Kastner. Durch die Koffer sei „Geschichte auf Augenhöhe“ erlebbar. Das Geheimnis der Erinnerns sei die Nähe. Kastner will die Menschen darauf aufmerksam machen, dass die Ausgrenzung in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft stattgefunden hat. Denn auch heute passiere so etwas wieder in der Nähe. Neben den Koffern steht eine Tafel, dort erfährt man mehr über die „Besitzer der Koffer“: Poträts und Lebensläufe.

Bis zum 20 November stehen die Koffer noch in der Münchener-Maxvorstadt. Am 20 November 1941 wurden 996 Münchner Jüdinnen und Juden nach Kaunas/Litauen deportiert und fünf Tage später ermordet. (kas)

Die Koffer stehen an der Karlstraße 49, der Richard-Wagner-Straße 11, der Schellingstraße 9 und der Steinheilstraße 20.

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