Gepilgert sind die Menschen schon, als die ersten festen Städte errichtet wurden, von denen wir wissen. Bei der Gründung Jerichos um 8500 vor Christi Geburt gebaut wurde, zog man gleich Tempel hoch, die die Bewohner aus dem Umland besuchten. Beeindruckende frühe europäische „Pilgerzentren“ sind beispielsweise Stonehenge in Südengland oder Newgrange in Irland, das um 3.200 vor Christus errichtet wurde.
Der Religionswissenschaftler Mircea Eliade geht in seinem mehrbändigen Werk „Die Geschichte der religiösen Ideen“ davon aus, dass es noch weit vor Jericho Orte gegeben hat, an denen Menschen zusammengekommen sind, um dem Göttlichen nahe zu sein.Nicht nur Christen gehen auf Wallfahrt. Pilgerreisen kennen auch Angehörige anderer Religionen. Für Muslime gehört die Pilgerfahrt nach Mekka wenigstens einmal im Leben zu den „fünf Säulen des Islam“. Darüber hinaus kennen sie noch andere Orte, die sie als Pilger besuchen: Medina in Saudi-Arabien, Jerusalem und Konya in der Zentraltürkei sind die wichtigsten. Für die Juden war bis zur Zerstörung des Tempels im Jahre 70 eine jährliche Wallfahrt nach Jerusalem üblich. Nach Möglichkeit sollten sie das Pessach-Fest dort begehen. Die Klagemauer wirkt als Rest des zerstörten Tempels noch heute anziehend.
Hindus pilgern zum Mittelpunkt des Universums
Angehörige der östlichen Weltreligionen pilgern ebenfalls: Hindus zum Beispiel nach V?r?nasi am Ganges, die als heiligste Stadt der Hindus gilt. Dort waschen sich gläubige Menschen im Flusswasser rein. Am Ufer werden Verstorbene rituell verbrannt und ihre Asche in den Fluss gestreut. Hindus reisen auch zu anderen heiligen Stätten, die „Tirthas“ genannt werden sowie zum Berg Kailash in Tibet. Dort soll der Mittelpunkt des Universums liegen und Götter ihren Wohnsitz haben. Buddhisten begeben sich ebenfalls zum Kailash. Sie glauben unter anderem, dass sie durch die Umrundung des Berges eine gute Wiedergeburt erreichen werden. Buddhisten pilgern außerdem zu den Wirkungsstätten ihres Religionsgründers: Lumbini in Nepal, die Geburtsstadt Buddhas, Bodhgaya in Nordindien, wo er erstmals die Erleuchtung erlangt und schließlich Kushinagar, hier starb er. Japanische Buddhisten reisen gerne zu bekannten Tempeln. Ein sehr reizvoller Pilgerweg führt beispielsweise zu den 88 Tempeln von Shikoku auf der gleichnamigen japanischen Insel im Südosten des Landes.
Es gibt weitere Gemeinsamkeiten der pilgernden Menschheit: Angehörige fast aller Religionen besuchen die Gräber charismatischer Verstorbener, um sich inspirieren zu lassen. Fast überall ist es üblich, dass Gläubige spirituelle Ratgeber aufsuchen, von denen sie sich Lebenshilfe erhoffen. Nicht zuletzt kennen Menschen überall auf der Welt den Brauch, sich gemeinsam mit anderen auf Pilgerreise zu begeben. Pilger sind einander quer durch Zeiten und Kulturen offenbar ziemlich ähnlich. (Gabriele Riffert)
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